Samstag, 25. Mai 2013

Tag 55: Puente la Reina - Los Arcos

Von Puente la Reina nach Los Arcos
Distanz: 44,1 KM
Unterkunft Los Arcos: Casa de Austria

Über die berühmte Brücke verlasse ich Puente la Reina
Um 8 Uhr verlassen Attila und ich die Herberge. Da er jedoch kein Frühstück einnehmen wollte, läuft er vor. Ich mach es mir bei Kaffee und Croissant noch gemütlich. Heute steht eine anstrengende Etappe auf dem Programm. Der Führer gibt sie mit 11 Stunden an. Da brauch ich die Energie dringend. Ich bleibe aber natürlich nicht all zu lange und verlasse die Stadt über ihre berühmte Brücke. Sie diente in dem Moment natürlich als viel benutztes Fotomotiv. Es war nicht einfach und forderte einiges an Geduld, sie menschenleer fotografieren zu können. Kurz nach Puente la Reina sind viele Pilger auf dem Weg. Ich überhole auch ein österreichisches Paar, das für jedermann sichtbar die rot-weiß-rote Fahne auf ihre Ruchsäcke genäht hatte. Ich grüße mit einem "Servus" und laufe weiter. Es ist zu früh für mich, um Konversation zu treiben. Jenen etwas untersetzten Spanier von vergangener Nacht sollte ich auch noch treffen. Ob er wohl weiß, dass ich seinetwegen länger nicht einschlafen konnte, aus Angst er könnte durch das Bett hindurch auf mich krachen? Er fuhr gerade mit seinem Fahrrad einen Hügel hoch, als ich ihn überholte. Ungläubig schaute er mir nach und murmelte noch etwas auf Spanisch, ich verstand es nicht. Jeder muss seinen eigenen Camino gehen und das auf die Art und Weise wie sie ihm richtig scheint.

Um 13:30 kam ich in Estella an. Ich passiere die Iglesia del Santo Sepulcro mit seinem sehenswerten Portal. Staunend verweile ich einige Minuten davor. Durch wunderschöne Gassen komme ich immer weiter ins Zentrum Estellas. Bald schon finde ich eine Bodega, wo es fantastische Tapas gibt. Gemeinsam mit 2 Colas sollen sie mein Mittagessen sein. Vor der Kirche San Pedro de la Rúa treffe ich Attila. Auch ein Schweizer Pilger ist da. Dieser kennt wiederum eine vorbei spazierende deutsche Pilgerin. Attila wird schnell bewusst - diese Pilgerin gefällt ihm gut - er will und wird hier bleiben. Der Schweizer Pilger ist noch unentschlossen, entschließt sich dann aber auch für´s Bleiben. Für mich ist es noch zu früh - ich laufe weiter.
Ein Regenbogen vor Mañeru - ein gutes Omen?
Bis nach Los Arcos sollten es noch gute 5 Stunden sein - ich muss mich beeilen. Davor gäbe es nur noch den Halt in Villamayor de Monjardín. In der ganzen Eile blickte ich nicht mehr sehr ausführlich in meinen Führer - und so übersah ich völlig das Monasterio de Santa María la Real de Irache, bekannt für den Fuente de Vino, den Weinbrunnen, wo sich Pilger Irache-Wein einverleiben können. Auch ohne den Wein komme ich in der Folge sehr gut voran. Mir war klar, dass Estella durchaus ein logischer Ort zum Verbleiben gewesen wäre - ich musste aber einfach noch weiterlaufen.  Mein Körper konnte und wollte es einfach. Es ist bis zu einem gewissen Grad eine Sucht - aber eine positive. Ich will mich weiterhin fordern, physisch und psychisch, will nicht bei der ersten Gelegenheit pausieren.


Die Wunderschöne Kirche in Villamayor
de Monjardín
Der Weg nach Estella ist schlichtweg wunderschön. Waldhaine und Weinberge säumten meinen Weg. Die Ruhe war fantastisch - der Großteil der Pilger wird in Estella verweilt sein, ich hatte den Camino beinahe für mich alleine. Bei leicht bewölktem Himmel treffe ich bei perfekten Bedingungen nur 1 einzigen Pilger an. Ich kannte den Franzosen bereits aus St. Jean Pied de Port, was mir eigentlich als unmöglich erschien. Ich traf ihn bereits kurz nach Pamplona wieder. Der Mann war bestimmt schon über 60 Jahre alt und läuft mein Tempo, meine Distanzen. Und das, obwohl ich nun schon 54 Tage Training in meinem Körper hatte. Ich kann mich an den Namen des Pilgers leider nicht mehr erinnern. Er wusste meinen noch. Ich bin froh, ihm noch meinen absoluten, uneingeschränkten Respekt für seine Leistung ausgesprochen zu haben, denn es war das letzte Mal, dass wir uns auf dem Camino wiedergesehen haben. Der Camino nimmt und gibt. Er suchte sich in Villamayor de Monjardín einen Herbergsplatz - ich lief weiter, wollte ich doch heute noch die "Casa Austria" in Los Arcos erreichen - man ist halt doch auch auf dem Camino noch ein wenig Patriot. Die Kirche in Villamayor de Monjardín gehört übrigens zum absolut Schönsten, was ich auf meinem langen Weg erblicken konnte. Klar, die Kathedralen in Burgos und Leon sind beeindruckend. Diese Kirche hat aber einen ganz eigenen Glanz, dessen Faszination nur sehr schwer in Worte zu fassen ist. Ich versuchte mehrmals, das Faszinierende des Gebäudes mit meiner Kamera einzufangen.

Der Camino zwischen Villamayorde Monjardín
und Los Arcos
Am Ortseingang von Los Arcos sitzen 2 junge Pilgerinnen auf dem Gehsteig. Sie rauchen gerade eine Zigarette und sind sichtlich froh, ihr Etappenziel erreicht zu haben. Eile haben sie sichtlich keine. Es ist mittlerweile weit nach 18 Uhr als ich den Ort erreiche. Die beiden Pilgerinnen kommen aus Norwegen. Ich frage sie, ob sie auch in der "Casa Austria" übernachten werden. Sie verneinen mit dem Hinweis, auf ein österreichisches Brüderpaar getroffen zu sein, das sie tags zuvor ziemlich genervt hat. Da diese ankündigten dort schlafen zu wollen, würden sie eine Alternative vorziehen. Ich würde die beiden Österreicher später noch in einer Bodega kennenlernen und ich konnte die beiden Norwegerinnen dann nur all zu gut verstehen. Sie hielten sich für so super und toll, dass neben ihnen einfach kein Platz mehr war, auch für mich nicht. Mit den beiden Pilgerinnen laufe ich ins Ortszentrum. Aus einem Haus sind viele Menschenstimmen und Musik zu hören. Die beiden jungen Frauen fühlen sich sichtlich abenteuerlustig und mutig und treten einfach in das Haus ein. Eine große Gruppe von Menschen schaut uns erstaunt an. Es ist ein baskische Fahrradverein, ´der einmal im Jahr von Bilbao bis nach Los Arcos fährt. Obwohl man sichtlich nicht mit Pilgern gerechnet hat, bekommen wir sofort Kekse und etwas zu trinken. Wahrscheinlich weil sich die teils noch jungen Spanier sehr von den beiden schönen Norwegerinnen angezogen fühlen.

Ich suchte dann schnell die Casa Austria auf, wo ich von der italienischen Hospitalera auch sogleich noch einen Schlafplatz zugewiesen bekam. Ich war froh, war es doch schon recht spät. Ich ging unter die Dusche und im Anschluss gleich in das Stadtzentrum, das sehr überschaubar war. Ein großer Platz, den die prunkvolle Kirche, als auch einige Bodegas umsäumten. Ich hatte großen Hunger und ging in die erste Bodega. Es gab 2 große Bier und ein paar Tapas. Ein mit roter Jack Wolfskin-Jacke gehüllter Mann saß mir gegenüber - kein Zweifel - das musste die eine Hälfte des österreichischen Sympathie-Bruderpaares sein. Als ich die Bodega verlasse, sage ich leise "Servus" und der verdutzte Mann schaut mir wortlos nach.

In der Casa Austria, wo übrigens nichts außer dem Namen und ein "Herzlich Willkommen" - Schild auf mein Heimatland hinwies, lernte ich noch sehr nette Menschen kennen. Zum einen eine junge Deutsche, die sich nach einem Beziehungsende auf den Weg machte, eine junge Russin, die nicht wusste, warum sie sich auf den Weg gemacht hatte und einen jungen Schweizer, der wie ich von zu Hause aus gestartet war. Das interessierte mich natürlich am meisten und so konnten wir am folgenden Morgen beim Frühstück noch länger miteinander reden. Seine Mammut-Schuhe lösten sich bereits auf, was mich nicht sonderlich wunderte, musste ich doch meine Schuhe nach einer ähnlich langen Distanz in St. Jean bereits auswechseln. Er zeigte sich jedoch ob des Verschleißes enttäuscht. Ich traf ihn dann am Tag vor meiner Abreise, gerade von Fisterra zurückgekehrt, noch einmal in Santiago - er hatte immer noch dieselben abgelaufenen Schuhe unter seinen Füßen, nur notdürftig zusammengeflickt und war fest entschlossen, mit ihnen noch bis nach Fisterra zu laufen.

Am Abend gab es in der prunkvollen Kirche von Los Arcos eine Messe mit anschließender Pilgersegnung. Mir gefällt die Kirche sehr gut, jedoch ist der ganze Altarbereich in Gold gehalten, was mir persönlich zu viel ist. Auch gibt es keine realen Kerzen, um an Verstorbene zu gedenken. Elektrifizierte Glühlampen leuchten eine bestimmte Zeit lang auf, wenn man Münzen in den Apparat schmeißt. Im Anschluss schaue ich mit Pilgern in einer Bodega das Champions-League-Finale teilweise an. Zumindest die 1. Halbzeit sollte sich vor der Nachtruhe in der Herberge ausgehen. Champions-League-Finale und ich hätte es nicht bemerkt, wenn nicht gerade der Fernseher eingeschalten wäre - zu Hause wäre das undenkbar gewesen. Die Prioritäten ändern sich auf dem Camino sehr. Viel vom Spiel hab ich dann auch gar nicht mitbekommen, ein betrunkener Spanier lallt mir permanent ins Ohr, dass er LKW-Fahrer sei und öfters in Österreich, genauer gesagt in Vorarlberg unterwegs sei. Warum musste ich ihm auch erzählen, dass ich von dort komme, so wurde ich ihn nicht mehr los.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen