Montag, 20. Mai 2013

Tag 50: Aroue - St. Jean Le Vieux

Von Aroue nach St. Jean Le Vieux
Distanz: 40 KM
Unterkunft St. Jean Le Vieux: Gîte du Camp Romain

Ich - kurz vor der Chapelle de Soyarza - nach
50 Camino-Tagen erkenne ich mich selbst
fast nicht wieder
Ich treffe bald den jungen Schweizer Daniel auf dem Weg. Wir beschließen, ein Stück gemeinsam zu laufen. Als wir die Chapelle de Soyarza (auf 290 Metern Höhe) erreichen, treffen wir auf einige Pilger. Besonders in Erinnerung waren mir 2 Pilger, die in die "verkehrte" Richtung gingen. Tatsächlich waren sie auf Nachfrage auf dem Weg von Santiago nach Hause, wo auch immer das sein mochte. Das nenne ich Willensstärke, am Ziel seiner Träume einfach umzukehren und den ganzen Weg wieder nach Hause zu laufen... Nachdem wir auf der Anhöhe eine kleine Pause gemacht haben, ging es bald weiter. Daniel hatte ob der vielen Pilger am Weg per Handy ein Zimmer in St. Jean Le Vieux für uns reserviert. Rund 6 Stunden sollten wir laut Führer bis dahin in etwa noch benötigen. Es war bereits Mittag, so mussten wir uns sputen. Zu allem Überfluss verliefen wir uns dann auch noch. Mindestens 1 Stunde liefen wir auf abenteuerlichen Wegen durch Wald und Wiesen, bis uns ein Einheimischer dann den Weg nach Ostabat schildern konnte. Verlaufen gehört zu den unangenehmsten Dingen auf dem Camino. Der Weg ist beinahe immer sehr gut markiert, einmal nicht aufgepasst oder in ein Gespräch vertieft und schon kann man sich verlaufen haben. Sollte man längere Zeit keine Markierung mehr vorfinden ist das Beste, man kehrt wieder um, bis man die letzte markierte Stelle wiederfindet. Wir waren aber wohl zu müde oder auch einfach zu faul, um die Höhenmeter wieder hinauf zu steigen, so mussten wir den Umweg in Kauf nehmen. Es kreisten riesige Vögel über uns, keine Frage, das müssen Geier sein. Ich hatte im Führer über deren Existenz in diesem Gebiet gelesen.
 
Der Camino zwischen Ostabat und St. Jean
Ostabat ist ein Sammelpunkt für drei der vier großen französischen Jakobswege: Via Turonensis, Via Lemovicensis und Via Podiensis treffen sich hier. Einzig die Via Tolosana, die in Spanien dann zum Camino Aragonés wird und bei Puente la Reina in den Camino Francés einfließt, verläuft nicht über den kleinen Ort. Unglaublich, dass in diesem kleinen Ort einmal mehrere tausend Pilgerunterkünfte gewesen sein sollen. Die wichtige römische Verbindungsstraße von Bordeaux bis Pamplona und weiter nach Astorga soll hier früher verlaufen sein. Wir kehren kurz in einer verwaist wirkenden Bodega ein. Nach einem kurzen Getränk geht es auch schon wieder weiter. Noch rund 17 Kilometer und 4 Stunden Laufzeit sollten vor uns sein. Wir trafen auch das Mutter-Sohn-Gespann aus Australien wieder. Unglaublich - der Umweg hatte uns leicht 1- 1,5 Stunden Zeit gekostet. Die Frau wirkte sehr geschlaucht - es war sichtlich gut für sie, dass deren Camino sich dem Ende neigte. Sie sind jedoch trotz ihres sichtlich schwierigen körperlichen Zustands immer freundlich und lächeln.

Ein Camino-Mobil, leider war es bei unserer Ankunft
verwaist
Daniel und ich laufen zurück ins Zentrum, um ein Restaurant zu suchen. Beide laufen wir völlig unnatürlich, ähnlich einer Metallfeder. Die heutige Etappe hatte uns doch sehr mitgenommen. So komplett ohne Rucksack zu laufen war ungewohnt, aber auch befreiend. Von den 2, 3 Restaurants hatte nur ein einziges offen. Nur ein Tisch war besetzt, der Kellner machte auch keine Anstalten, noch lange geöffnet haben zu wollen. Wir fragen ihn, ob es noch irgend etwas zu essen gebe. Er bejaht und so gibt es das Tagesmenü, Pommes Frites mit einer Wurst, Lecho und einem Salat. Dazu gab es Claras, also Radler. Nichts in der Welt hätte in diesem Moment besser schmecken können. Für mich ist klar, dass es morgen einen "freien" Tag geben wird.
 
Die Unterkunft für heute Nacht
Ich will meine Ausrüstung wieder vervollständigen. Ein Blick auf die Sohle meiner Trekkingschuhe sagte nur noch - kauf Dir endlich neue Schuhe. Riesen Löcher waren zu sehen, an manchen Stellen fehlten ganze Teile. Ok, nach rund 1600 Kilometern dürfen sich die Sohlen wohl langsam in ihre Bestandteile zerlegen. Ich kann im Nachhinein auch nicht wirklich behaupten, dass es mir um diese Lowa-Treter leid getan hätte. Ich hatte durchaus Probleme mit meinen Füßen. Im Nachhinein sollte es sich als Glücksgriff herausstellen, in St. Jean Salomon-Schuhe empfohlen bekommen zu haben - mit diesem Paar schwebte ich wieder wie auf Wolken. Neben neuen Schuhen musste ich auch die Kamera ersetzen. Es fehlte mir sehr, nicht mehr jeden schönen Moment bei Bedarf festhalten zu können. Diese Unsicherheit wollte ich schnellstmöglich loswerden. Auch ein 2. Leibchen wollte ich mir wieder anschaffen, nachdem eines meiner zwei ja im französischen Baskenland als verschollen galt. Einen Tag einfach einmal gar nichts tun und die Atmosphäre genießen. St. Jean Pied de Port ist sicher mit der bekannteste Ort, um den Camino Francés zu starten. Es werden bestimmt zahlreiche Pilger vor Ort sein. Wahnsinn - ich bin schon an die 1600 Kilometer gelaufen und die meister morgen fangen gerade erst an. Übrigens lernte ich auch einige Pilger kennen, die von Le Puy bis nach Santiago pilgerten (in Etappen oder am Stück).
Nur 4 Kilometer trennen mich noch vom 2. großen Etappenziel meines Caminos. Blieb die Ankunft in Le Puy ob des Wetters und meiner unsicheren Situation, ein Bett zu finden alles andere als positiv in Erinnerung, so freute ich mich auf St. Jean Pied de Port umso mehr.

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