Freitag, 17. Mai 2013

Tag 47: Aire-sur-l´Adour - Arzacq-Arraziguet

Von Aire-sur-l´Adour nach Arzacq-Arraziguet
Distanz: 32 KM
Unterkunft Arzacq-Arraziguet: Gîte Centre d´accueil


Kurz nach Aire-sur-l´Adour 
Bereits um 06:30 ging heute der Wecker los. Als ich alles gepackt hatte, war Isabelle mit dem Frühstück bereits fertig und war startklar. Ihr Zug zu ihrer Familie würde in Kürze von Aire-sur-l´Adour wegfahren, sie vom Camino wieder zurück in den Alltag bringen. Isabelle hinterließ mir ihre Trinkflasche - während ich beim Frühstück saß, muss sie mir die Flasche auf mein Bett gelegt haben. Welche Aktion eines Pilgers kann großzügiger sein, als seine Trinkflasche zu hinterlassen - ich war gerührt. Auch die 13 € für die Übernachtung in der Herberge war bereits bezahlt. Als ich sie gestern zum Abendessen eingeladen hatte, so machte ich dies aus ehrlicher Nächstenliebe und nicht aus Kalkül, dafür etwas anderes zu bekommen. Ich denke/hoffe sie wusste dies auch. Ich lief ihr noch hinter her um mich zu bedanken und ihr zu sagen, dass ich dies nicht wollte. Sie war aber bereits in den unendlichen Weiten der Pflasterstein-Meere Aire-sur-l´Adurs entschwunden. ich ging heute gestärkt auf meinen Weg  - weil ich einen tollen Menschen kennenlernen durfte.
Die Pyrenäen wirken am 47. Tag meines Weges zum
Greifen nahe

Ich komme am einem wunderbaren See vorbei. Eine jüngere Pilgerin überholt mich, als ich beim Fotografieren bin. Sie hat ein sehr gutes Tempo drauf. Ich folge ihr am Seeufer durch herrliche Waldwege. Es folgen wunderbare Wege durch landwirtschaftliche Gebiete. Ich bin kaum, wenn überhaupt schneller als die Pilgerin. Das ist wohl das erste Mal, dass ich dies erlebe. Es macht mir nichts aus, ich bewundere eher ihre Zielstrebigkeit und Ausdauer. Was mir von diesem Tag in jedem Fall auch noch sehr in Erinnerung geblieben ist, waren die ersten bewussten Blicke auf die mit Schnee bedeckten Pyrenäen. Ob ihrer Schönheit muss man einfach sprachlos bleiben. Nach 47 Tagen des Wanderns konnte ich diese wunderbare und sagenumwobene Bergregion erreichen. Es ist nicht mehr länger ein Traum. Ab und zu fällt es mir heute noch schwer zu glauben, dass ich diesen Camino tatsächlich und real erleben durfte.

Chapelle Sensacq
Bei der wunderschönen, idyllischen Chapelle Sensacq mache ich Rast. Bänke und ein Tisch laden dazu ein. Auch zwei Schilder stehen dort. Sie geben an, dass es noch 911 bzw. 950 Kilometer bis nach Santiago de Compostela seien. Welche der beiden Angaben ist die richtige? Es spielt keine Rolle - wenn der Weg so wunderschön weitergehen sollte, wie ich ihn heute erlebte, kann es ruhig noch "ein bisserl mehr sein". Die zügige Pilgerin konnte ich kurz zuvor überholen. Sie machte eine Rast, wirkte irgendwie so, als ob sie alleine bleiben wollen würde, was keiner so gut verstehen kann, wie ich.

Bereits um 15:30 erreichte ich die Gemeinde Arzacq-Arraziguet. Bis nach Fichous Riumayou wären es noch  gute 2 Stunden, was an sich kein Problem wäre. Auch die 32 Kilometer bis jetzt brachten mich nicht an meine Grenzen. Allerdings hatte es laut Führer nur sehr wenig in Infrastruktur in Fichous. So entscheide ich mich trotz der relativ frühen Stunde zum Bleiben. Vielleicht auch deshalb, weil es hier gemütlich wirkende Cafés und Bars gibt. Ich melde mich bei der Herberge an. Das "Holländer"-Zimmer wird mir zugewiesen. Ich bin der erste im Zimmer. Später sollte dann noch ein Deutscher Pilger hinzukommen, der leider sehr wohlbeleibt war und für eine ordentliche Geräuschkulisse sorgte. Was ich von dem heutigen Tag noch weiß, ist, dass in Wien das Bon-Jovi-Konzert stattgefunden hatte. Ich hatte als großer Fan 2 Tickets besorgt und sie dann weiterschenken müssen. Der Camino ist wichtiger. Allerdings war dies wohl mein größtes Opfer auf dem Weg. Was noch in Erinnerung blieb, ist die die Tatsache, dass es später am Nachmittag zu einem richtigen Unwetter kam. Sogar Hagel klopfte auf das Dach der Herberge - ich war froh nicht noch weiter gelaufen zu sein. 
Blick von Pimbo
Als ich mich vor ein Café setzte, um ein Bier zu trinken, verlassen gerade eine Pilgerin und ein Pilger das Gebäude. Als ich ein zunicke und mir ein "Bon Chemin" über die Lippen kommt, bekomme ich ein lachendes "servas" erwidert. Und zwar auf eine Art und Weise, wie ich sie nur von daheim her kenne. Ich sage in meinem Heimatdialekt, dass man mit Vorarlbergern immer rechnen muss, aber vielleicht nicht gerade hier, in einem Nest mit Namen Arzacq-Arraziguet. Seine Begleiterin und er schauen mich an und lachen. Sie sind tatsächlich aus dem Ländle. Er, Reinhard kommt aus Rankweil, nur wenige Kilometer von meiner Heimatstadt Feldkirch entfernt und Startpunkt des Appenzeller Weges. Seine Lebensgefährtin kommt, wie an ihrer Aussprache nur unschwer zu erkennen ist, aus dem Bregenzerwald. Sie pilgerten - wie ich - von zu Hause aus. Allerdings mussten sie letztes Jahr wegen einer Fußverletzung Waltrauds den Camino unterbrechen. Seit gestern sind sie nun wieder unterwegs, um den 2. Teil ihres Camino weiterzulaufen. Wir trinken noch was gemeinsam, sind auch in derselben Herberge untergebracht. So sollten wir uns dann auch noch beim gemeinsamen Essen in der Herberge treffen.

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