Sonntag, 12. Mai 2013

Tag 42: Pugnal - Castet-Arrouy

Von Pugnal nach Castet-Arrouy
Distanz: 34 KM
Unterkunft Castet-Arrouy: Le Lièvre et la Tortue


Der Camino führt malerisch entlang dem Canal de Golfech
Ich hatte 12 Stunden Luxus hinter mir, soviel war klar. Das Zimmer für mich allein, ein hervorragendes Essen, nette Gastgeber. Und das alles für knapp 40 €. Klar, nicht ganz billig für einen Pilgertag, aber ich fühlte mich heute unglaublich gestärkt. Ich frühstücke alleine. Die beiden Schweizerinnen werden von Jenny zum Bahnhof gebracht, für sie war der Camino hier zu Ende. Die drei Deutschen lagen noch im Bett. Gerade als ich aufbrechen will, kommen sie zum Frühstück. Ich wünsche ihnen ein "Bon Chemin". Ein "Auf wiedersehen" kam mir nicht über die Lippen, es wäre gelogen gewesen. Erstens, weil sie niemals meine Distanzen würden laufen können und zweitens, weil ich sich auch nicht wieder sehen wollte. So ist das auf dem Camino. Man lernt wie im richtigen Leben Menschen kennen, die einen auf Anhieb interessieren oder gar faszinieren und solche, die man am liebsten ganz schnell hinter sich lassen möchte. Kurz nach Pugnal sind in der Ferne die mächtigen Meiler eines Atomkraftwerkes zu sehen, was sehr gemischte Gefühle in mir aufsteigen lässt. Bei mir zu Hause gibt es so etwas nicht - ich mag alles was mit der "unsichtbaren Gefahr" zu tun hat - überhaupt nicht. Der Himmel ist mit großen, dichten Wolken bedeckt, als ich mich wieder auf den Weg mache. Zunächst komme ich nach Malause. Es ist Sonntag. Nur ganz wenige Menschen sind heute zu sehen. Ich laufe entlang des Canal de Golfech - sicherlich eines der stimmungsvollsten und schönsten Abschnitte auf dem Camino. Immer wieder fahren Boote an mir vorbei, deren Besatzung mir zuwinkt. Einige Sportler, Radfahrer und Jogger laufen entlang des Kanals. Bei Pommevic macht der Camino kurz eine seltsame Biegung, ich verliere die Markierung und laufe ins Zentrum des Ortes. Ich hätte sofort zur letzten erkennbaren Markierung umkehren sollen, so verlor ich einiges an Zeit, in dem ich in dem wie ausgestorben wirkenden Ort umherirre.

 Das Stadttor von Auvillar
In Espalais, einem Vorort von Auvillar, ist direkt am Camino eine Pilgerherberge. Sie wird privat geführt. Der Hospitalero heißt Vincent. Gegen freiwillige Spenden kann man auch gerichtete Getränke und Obst nehmen. Ein Schweizer Pilgerpaar ist auch hier - sie wollen hier heute übernachten. Auch einige Einheimische kommen vorbei, die Pilgerherberge bzw. -Station scheint im Ort bekannt zu sein. Vincent fragt mich, wohin ich heute noch gehen möchte. Ich habe keine Ahnung, blättere in meinem Führer und meine, dass es eventuell Castet-Arrouy werden könnte. Tarissan bzw. Lectoure sind wohl zu weit entfernt. Er meint, dass er dort einen Hospitalero einer anderen privaten Herberge kenne. Die Herberge sei der kommunalen in jedem Fall vorzuziehen, weil sie "herzlicher" sei. Er bietet mir an, dort für mich nach einem Platz zu fragen. Tatsächlich sei dort noch Platz für mich. Ich bedanke mich bei Vincent, wird ein Geldstück in die Spendenbox und mache mich wieder auf meinen Weg. Es war irgendwie ein schönes Gefühl, zu wissen, wo ich heute Nacht erwartet werden würde. Ich musste mir keine Sorgen mehr machen, ob ich heute ein Bett werde bekommen können - aber Sorgen machte ich mir eigentlich nie deswegen - ich hatte Gottvertrauen in mir. In Auvillar fand in der runden Markthalle im Zentrum der Altstadt gerade ein Markt statt. Ich kaufte Proviant für meine weitere Reise und marschierte durch das Stadttor weiter in Richtung St. Antoine.

In St. Antoine setzte ich mich in den Außenbereich eines kleines Cafés direkt am Weg. Der Ort war sehr idyllisch und wirkte wie ausgestorben.  St. Antoine war deswegen wichtig für mich, da das Tau-Kreuz, auch als Pilgerkreuz bezeichnet, bei den Antonitern ihren Ursprung fand. Ein wenig später sollte ich dann auch ein handgemachtes Pilgerkreuz mein eigen nennen können. Die Gascogne lag nun vor mir.


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