Samstag, 11. Mai 2013

Tag 41: Lauzerte - Pugnal

Von Lauzerte nach Pugnal
Distanz: 34 KM
Unterkunft Pugnal: Chambre d´hotes Pugnal

Ein letzter Blick auf die "Hügelstadt" Lauzerte
Die heutige Nacht war nicht die beste - der recht füllige US-Amerikaner und ein Franzose schnarchten gotterbärmlich. Die Sonne scheint heute aber wieder herrlich vom blauen Himmel. Nur wenige, dünne Wolken ziehen schleierähnlich über mich hinweg. Ich verlasse die "Hügelstadt" Lauzerte recht zeitig. Auch einige andere Pilger sind bereits aufgebrochen. Nach kurzem Suchen finde ich wieder meinen Camino. Über herrliche Feldwege wandere ich einer sanft hügeligen, idyllischen Landschaft entgegen. Auch eine besonders stimmungsvolle kleine Kirche liegt auf dem Weg. Ich betrete sie und bin ganz alleine von einer wunderbaren Stille umgeben. Ich mag die einfachen, stillen Gotteshäuser. Die Kathedrale Le Puys war sehr schön und beeindruckend, keine Frage. Der Trubel darin war mir aber zu viel. Ich will nicht Teil einer großen, massentouristischen Pilgerbewegung sein - und doch bin ich Bestandteil davon, ob ich nun will oder nicht. Nach wie vor suche ich das einfache, stille Pilgern. Nur so kann ich mehr über mich erfahren. Denn deswegen hab ich mich auf den Weg gemacht - das wird mir inzwischen immer mehr klar. Wer bin ich? Wohin gehe ich? Fragen die recht banal klingen, aber doch so unendlich schwer zu beantworten sind.
 
Wer ist dieser Mann? . erkenne mich
fast nicht wieder - in Moissac
Ich bin in Moissac! Neben Le Puy en Velay und St. Jean Pied de Port jene Stadt Frankreichs, die mich von Beginn an am meisten interessierte. Ich kannte Cahors, Conques oder auch das kleine La Romieu davor noch nicht. Diese Orte sollten mich ebenfalls in ihren Bann ziehen. Von Moissac kannte ich zahlreiche Bilder. Als ich die Stadt betrete bin ich noch nicht sehr beeindruckt. Über Vorstadtgebiet geht es wenig schön in Richtung Stadtzentrum. Ich lerne einen deutschen Pilger kennen, der das Gespräch sucht. Ich erzähle ihm, dass ich eine schmerzhafte Verletzung seit längerem schon mit mir schleppe, Er meint, er wisse von welcher Art von Verletzung ich rede, er habe sie auch gehabt. Er rät mir, den Camino sein zu lassen und nach Hause zu fahren. Ich würde die Entzündung immer weiter schleppen und es könne nicht besser werden. Na danke, solche Worte hab ich gebraucht. Ich bin nicht 41 Tage auf dem Camino unterwegs um jetzt, knapp nach der Hälfte meiner geplanten Distanz aufzugeben! Er meinte es wahrscheinlich gar nicht so negativ, aber ein Pilger, der ein großes und vor allem weites Ziel vor Augen hat, mag diese Worte einfach nicht hören. Ich sage ihm, dass ich stärker geworden bin und auch das noch wegstecken werde. Coelho schreibt in seinem Jakobsweg-Buch auch davon, dass es immer wieder Menschen auf dem Camino gibt, die einen versuchen, vom rechten Weg abzubringen. Dieser Mann könnte vielleicht so eine Prüfung sein. Jene Deutsche Männerhasserin, die ich heute Abend noch kennenlernen sollte, vielleicht noch eine andere. Man muss gelassen sein auf dem Camino. Ich schaffe es immer noch nicht 100-prozentig. Natürlich treffen mich Worte. Ich habe aber ein Zielstreben, das stärker ist. Ich werde nie und nimmer jetzt aufgeben! Die Abteikirche St. Pierre war dann auch sehr beeindruckend. Vor allem auch der wunderschöne Kreuzgang. Es ist schwer, einen Moment zu finden, wo nicht ein Tourist oder Pilger durch den Kreuzgang huscht. Der Ort ist ein Touristenmagnet, keine Frage. In einem Café trink ich eine Orangina und esse einen fantastischen Kuchen. Es ist großartig, die ganzen Pilger und Touristen zu beobachten. 25 Kilometer liegen heute bereits hinter mir, 9 sollten es noch bis Pugnal sein. So mache ich mich um ca. 16 Uhr wieder auf den Weg. Die meisten Pilger, die heute von Lauzerte aus starteten, werden wohl in Moissac bleiben, so, wie es der Führer auch vorgibt. Ich war also einmal mehr antizyklisch unterwegs.
 
Kirche kurz vor Pugnal
Es sind noch 5 andere Pilger, allesamt Frauen, in dem großen Haus. Sie haben alle zum Glück andere Schlafzimmer zugeteilt bekommen. Die eine Gruppe bestand aus drei Ostdeutschen Frauen. Deren Alphaweibchen hatte eindeutig einen Schuss. Ich saß gerade bei einem "After-Walk-Bier" im Aufenthaltszimmer, als sie hereinkam. Sie würden nicht den klassischen "Frantschäss"-Camino gehen, weil man als Frau doch ständig Angst vor den "spitzen, unersättlichen" spanischen Männern haben muss. Ja genau! Verpass Du den herrlichen Camino Francés, mit all seinen tollen Orten und Städten, wie Pamplona, Burgos oder Leon, weil Du Angst davor hast, mit Deinen 100 Kilos vergewaltigt zu werden. Was für ein Bild hat diese Frau von südländischen Männern, oder überhaupt von Männern? Vorurteile werden von zu Hause mitgenommen und unreflektiert wiedergekäut. Ich habe genug von so unreflektierten, verallgemeinernden Dummschwätzerinnen. Es ist wie im realen Leben - der Camino reflektiert nichts anderes, als im Alltag auch an Menschen vorhanden ist. Auch hier muss man dann irgendwann einfach eine Entscheidung treffen - welche Begegnung tut einem gut und welche nicht. Die anderen Beiden kamen aus der Schweiz und aus Frankreich. Ich kam mit ihnen nicht ins Gespräch, da die deutsche Alphapilgerin sie sichtlich einschüchterte. Die harten Worte, die lächerlich komische Art der Aussprache, englischer wie französischer Worte in einem Kaudawelsch aller erster Güte war zum schreien komisch.
 
Brian und Jenny waren sehr nett. Deren Kochkünste sind famos. Vor allem der britische Humor Brians war großartig und eine nette Abwechslung auf meinem Weg.

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