Dienstag, 9. April 2013

Tag 9: Brienzwiler - Interlaken

Von Brienzwiler nach Interlaken
Distanz: 24,4 KM
Unterkunft Interlaken: Jugendherberge
 
Der Brienzersee am 9. April um kurz vor 10 Uhr morgens
Ich hatte herrlich geschlafen! Mein Knie machte mir jedoch trotz Behandlung mit Regulas Arznei zu schaffen. Es sollte heute einer jener Tage werden, an denen sich die Beine wie Beton anfühlen, jeder Schritt einer kleinen Überwindung bedingt. Doch zunächst konnte ich mit Regula und Christian frühstücken. Wir unterhielten uns wieder sehr gut, wodurch ich heute wieder relativ spät, erst um 08:30 zum Aufbruch komme. Ich hätte noch gerne mehr Zeit mit den beiden verbracht, so wohl fühlte ich mich bei Ihnen in der Herberge. Ich wusste aber auch, dass ich nicht nachlässig werden darf - es sind noch so viele Kilometer vor mir. Ich nahm mir vor, von der Begegnung von dieser positiven Begegnung so lange als möglich zu zehren. Zum Abschied schenkt mir Regula noch eine kleine Karte, auf der ein Engel abgebildet ist. Ich glaube, den Erzengel Gabriel darauf erkannt zu haben - er solle mir Glück bringen. Das tat er auch wirklich. In einer Situation, als mir eine reale Person mit Namen Gabriel half, schenkte ich ihm die Karte weiter, auf dass sie ihm gleichsam Glück bringen möge. Die Schneegrenze war nur wenige Meter über meinem Weg. So schön dies auch anzusehen war, ich hätte mich doch auch sehr über ein paar Sonnenstrahlen gefreut.

Eine der wunderbaren Skulpturen rund um
den Brienzersee
Die Schweizer Luftwaffe flog heute wieder eifrig durch den Eidgenössischen Himmel. Der Brienzersee war trotz des mäßigen, stark bewölkten Himmels wunderschön. Auch in Brienz traf ich auf relativ viel asiatische Touristen, einige meinten auch, sie müssten mich mit meinem großen Rucksack, dick eingepackt auch fotografieren. Rund um den See gab es zahlreiche schöne Skulpturen, aus Eisen, Stein und Holz. In Brienz fand ich auch einen Coop, wo ich mir den Proviant für heute besorgen konnte. Ich hatte mich sehr an das Trinken von Eistee gewöhnt. Er schmeckte mir sehr gut und er hatte Zucker - ich brauchte Unmengen von Zucker auf meinem Weg. Mein Körper verlangte ihn regelrecht und er bekam ihn auch. Ich hatte heute wunderbare Blicke auf Eiger, Mönch und Jungfrau - als begeisteter Alpinist eine großartige Sache! Doch konnte auch diese Tatsache meine Schritte nicht leichter machen. Kurz vor Interlaken saß ich kraftlos auf einer Bank und überlegt, wie ich weitermachen sollte. Ich entschloss mich, eine der beiden Jugendherbergen Interlakens aufzusuchen. ich ging aufgrund der hohen Preise für 2 bis 4-Bettzimmer in ein Sechserzimmer. Neben mir bezogen noch 2 andere Männer das Zimmer. Der Kanadier war sehr nett - er reist mit seinem Rucksack bereits 3 Monate durch Europa. Wir unterhalten uns über seine Heimat Kanada, seine Eindrücke über Europa und auch ganz alltägliche Banalitäten. Ich höre mich im Gespräch zum ersten Mal selber sagen, dass ich knappe 3 Monate lang rund 2500 Kilometer weit von Feldkirch bis Santiago laufen will. Es klingt surreal und ist es wahrscheinlich auch. Der 3. Mann im Zimmer schien keine große Lust auf Konversation zu haben, was mir am heutigen Tag auch ganz recht war.

Der Camino kurz vor Interlaken
Ich ging durch das Zentrum der Stadt. Zwei Dinge brannten sich in meine Erinnerungen ein: die zahlreichen, exklusiven Hotels und die hohe Anzahl asiatische Menschen. Ich kaufte mir ein paar Ansichtskarten und beschloss, ein erstes Lebenszeichen in die Heimat zu senden. Ich suchte mir dafür ein kleines Café in Unterseen. Dort fand ich einen guten Platz, um meine Karten zu schreiben. Neben einem Kaffee trank ich auch das ein oder andere Bier. Obwohl mir das Schweizer Bier noch nie richtig schmecken wollte, so tat es mir heute doch gut. Der bittere Gerstensaft passte heute zu meinem Gemütszustand. Christian und Regula meinten, ambitionierte Pilger würden von Brienzwiler bis Merligen wandern. Davon war ich heute kilometerweit entfernt. 5 Stunden wären es laut Führer noch gewesen. Ich hielt mich eigentlich immer für sehr ambitioniert. Es ging von Tag zu Tag besser, in Körper und geist. Freilich immer mit großen "Hängern" zwischendurch, vor allem psychisch. Aber auch die körperlichen Probleme machten es mir nicht immer einfach.

Ich schrieb heute sechs Karten. Auch meine Mutter und mein Bruder bekommen eine. Nach meinem Abschiedsbrief vor 9 Tagen hatten sie noch nichts mehr von mir gehört. Ich wollte es so. Wenn ich mich auf den Weg machen würde, dann als wirklich freier Mensch, frei von Konvention und Pflicht, irgendjemandem Rede und Antwort stellen zu müssen. Ohne Handy und Internet möchte ich die Zeit verbringen, meinen Weg gehen. Ich schrieb mir meine heutige Frustration von der Seele, hatte einen richtig "dicken Hals". Ich war weinerlich - gerade einmal eine gute Woche unterwegs, gerade einmal rund 200 Kilometer, also nicht einmal ein Zehntel meines geplanten Caminos in den Beinen und weinerlich - das kann es doch wirklich nicht sein!

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