Dienstag, 16. April 2013

Tag 16: Rolle - Genf

Von Rolle nach Genf
Distanz: 44,7 KM
Unterkunft Genf: Jugendherberge

 
Irgendwo zwischen Gland und Nyon um 7 Uhr
Ich lief mitten in der Nacht durch Schweizer Weinberge. Als ich bei einer Laterne in meinem Führer die Karte studieren wollte, ließ ich diesen blöderweise zu allem Überfluss auch noch auf einer Mauer liegen. Die Schweiz ist bald hinter mir, von dem her könnte es mir eigentlich egal sein. Ärgerlich ja, aber nichts mehr zu verzweifeln. Es waren jedoch auch private Adressen und Telefonnummern drin. So drehte ich abermals eine Irr-Runde in der Dunkelheit der Schweiz, irgendwo zwischen Lausanne und Genf. Hast Du kein Glück, kommt auch noch Pech hinzu. Für den 15./16. April traf dies bei mir voll zu. Irgendwie hatte ich auch Angst, dass mir ein eidgenössischer Weinbauer nachschießen würde. Gott sei Dank fand ich den Camino wieder, nachdem ich einen abenteuerlichen Weg durch alle möglichen Straßen genommen hatte. Teilweise waren auch keine Gehsteige da - in der Dunkelheit der Nacht auf Straßen laufen zu müssen ist nicht lustig und auch nicht ganz ungefährlich. Wann immer ein Auto kam, suchte ich großräumig das Weite.

Das Schloss Prangins
Schließlich kam ich in Dully an, es war immer noch stockfinster. Ich hatte aber mein lieb gewonnenes Muschelsymbol wiedergefunden. Der Ort und die Landschaft sollten sehr schön sein, leider konnte ich davon wegen der Dunkelheit nichts erkennen. Nun ging es aber auch noch durch Waldstücke. Ich verlief mich des öfteren, so dunkel war es. Die Tierwelt macht im Dunklen auch interessante Geräusche, ich weiß nicht, welche Tiere mich in der Dunkelheit der Nacht beobachteten, Es war ein komplett eigenes Gefühl, als ich auf einer Holzbank inmitten von Obstplantagen Platz nahm und in Richtung des aufgrauenden Osthimmels blickte. Die vielen Lichter, der See - ich war in dem Moment so alleine. Aber nicht einsam, oder anders negativ behaftet. Ich war frei und die Welt gehörte in diesem Moment mir. 

Schön, schöner. Via Jacobi
Gegen 06.00 kam ich total erschöpft in Gland an. Ein Fahrradfahrer winkt mir von der Weite und zeigt auf das Gebäude neben uns. "Die Pilgerherberge ist dort drüben" meint er freundlich. Es scheint ihm nicht sonderbar zu sein, dass ich morgens um 6 bei der Pilgerherberge ankomme. Andere Pilger sind vielleicht sogar schon aufgebrochen. Ich danke ihm für die Auskunft und erzähle ihm von meinen letzten beiden Tagen. Der Eidgenosse zeigt sich sehr interessiert und wünscht mir einen guten weiteren Wegverlauf. Ich könnte mich jetzt nicht hinliegen, auch wenn ich todmüde war. In der Nähe des Bahnhofs bekam ich in einer Bäckerei Verpflegung für den Tag.

Das Schloss Château de Bossey
Ich hatte noch keine Ahnung, wie weit ich heute ohne Schlaf kommen würde. Bis Genf sollten es von Gland noch ca. 35 Kilometer sein, normalerweise kein Problem, aber was ist heute schon normal? Ich komme mir in meine Militärzeit zurückversetzt, als Gefechtsleistungsabzeichen erworben werden mussten. Nachtmärsche, wenig Schlaf waren dort an der Tagesordnung, aber heute, mir 32 Jahren musste ich mir das doch nicht mehr antun? Und dann noch so völlig freiwillig... Es folgt ein Wegabschnitt der völlig anders war als bis jetzt. Über Nyon und Commugny gelangte ich weitestgehend über Asphaltstraßen und Nobelviertel in die Peripherie von Genf. Bis ich die Stadt endlich erreicht hatte, zog es sich extrem. Viele Pilger nehmen das Schiff, wenn sie den Genfersee erreichen. Genf liegt ja wirklich am äußersten Zipfel des westlichen Genfersee-Ufers. Ich wollte aber meinen Camino ehrlich ohne Zurhilfenahme von verkehrstechnischen Hilfsmitteln erlaufen. Bis auf die 5 Minuten Schifffahrt von Brunnen bis nach Treib gelang mir das dann auch. Bereits am Thunersee hätte es die Möglichkeit gegeben, von Merligen nach Spiez überzusetzen. Dann hätte ich aber auch Thun nicht sehen können, jene Stadt, die mir neben Rapperswil am besten gefiel. Ich wollte es nur aus eigener Kraft schaffen.

Kurz vor Genf machte mich der viele Verkehr der Rue de Lausanne arg zu schaffen. Von der Seepromenade suchte ich den schnellsten Weg zur Jugendherberge. Dort angekommen, buchte ich gleich für 2 Nächte. Ich bekam nurmehr einen Platz in einem 12-Bett-Zimmer, was mir in dem Moment aber herzlich egal war. Ich wollte nur noch schlafen!

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