Montag, 22. April 2013

Tag 22: Saint-Maurice-de-Rotherens – Valencogne

Von Saint-Maurice-de-Rotherens nach Valencogne
Distanz: 30,4 KM
Unterkunft Valencogne: Gîte Étape Le Brocard

La Petite Halte in Grésin
Ich hatte keinen "blöden Kopf" heute Morgen. Der französische Wein muss einfach top sein :-) Es gibt ein einfaches Frühstück. Ich unterhalte mich noch ein wenig mit der Hospitalera. 25 Euro zahlte ich heute für die Übernachtung mit Frühstück. Der Camino führt mich zur Kirche St. Maurice. Leider ist das Gotteshaus geschlossen. Das Radiomuseum Galletti ist auch gleich daneben. Kurz nach Grésin, das eine schöne Kirche hat, kommt eine kleine Pilgerstation. Eine verschmuste, komplett zutrauliche Katze liegt auch davor auf der Straße und döst vor sich hin. Ich bediene mich beim Pilgerstempel. Auch Jakobsmuscheln gäbe es zu kaufen. Ein Spendenglas steht daneben. Ich denke an Lisa und dass sie sich hier auch eine Muschel für ihren Rucksack kaufen kann. Ich trage mich noch im Pilgerbuch ein und hinterlasse Grüße für die mir bekannten Pilger die hinter mir laufen.

Multicoraler Camino
Fast aus dem Nichts leuchtet es auf einmal blau - der "Blaue Michael" kommt strammen Schrittes hinter mir her. Ich hörte seine Stöcke schon von weitem. Er erzählt mir, dass er in der zweiten Herberge in Saint Maurice gratis untergekommen sei. Die Herberge war auch deutlich teurer als meine. Der Mann hat einfach Glück - ich bin es ihm nicht neidisch. In St. Genix sur Guiers finden wir ein Einkaufszentrum, um unseren Proviant aufzufüllen. Da Michael aber ja kein Geld hat, kaufe ich ein, frage ihn aber auch, ob er auch was will. Vor meinen Augen dort zu betteln, wollte er dann doch auch nicht. Beim nächsten gemeinsamen Rast teilte ich aber ohnehin alles mit ihm, was ich bei mir hatte. Wir liefen bis Valencogne gemeinsam. Es ergaben sich gute, tiefgehende Gespräche, wenngleich mir seine Anschauungen bis zuletzt etwas dubios erschienen.


Der Camino vor Valencogne
Michael und ich besuchen noch gemeinsam die Kirche im Zentrum des kleinen Ortes. Er beschließ, bei privaten Pilgerfreunden unterzukommen. Mir sind die Herbergen lieber, da kann ich auch für mich alleine sein und muss mich nicht unterhalten, wenn ich nicht will.  Ich verabschiede mich mit einem "bis bald" bei ihm, im festen Glauben, ihn sicher bald wiederzusehen. Es war jedoch das letzte Mal, dass ich den "Blauen Michael" auf dem Camino treffen sollte. Es kommen und gehen Pilger auf dem Camino. Mit manchen verbringt man etwas mehr Zeit, als mit anderen, so ist es eben. Obwohl Michael seine Pilgerschaft komplett anders angelegt hat als ich, so bin ich doch für die paar Male, in denen er mir von sich und seinen Sichtweisen erzählt hat, sehr dankbar. Ich bin sicher, dass er bis nach Santiago gekommen ist, falls dies denn sein letztendlicher Plan war. Nicht jeder wird ihn sehr willkommen geheißen haben, so völlig ohne Geld und nur auf Almosen hoffend. Er war mein erster Pilgerkontakt auf den letztendlich 77 Pilgertagen auf meinem Camino - allein schon deswegen werde ich ihn nicht vergessen.
 

Die Église St. Jean l´Evangéliste in
Valencogne
Die Entscheidung, die Herberge zu wählen, war leider die falsche. Das passiert leider hin und wieder und im Nachhinein ist man immer klüger. Die Türe war geöffnet, als ich dort ankomme. Ich denke mir, dass die Hospitalera wohl erst später kommen wird, da niemand da zu sein scheint. Ich gebe meinen Rucksack in das erstbeste Zimmer und gehe Duschen. Ein Mann kommt in das Zimmer und fragt, ob ich hier schlafen würde. Ich versuche ihm mit meinem bescheidenen Französisch zu erklären, dass ich Pilger bin, hier schlafen möchte, aber die Hospitalera noch nicht antreffen konnte. Der Mann ist sehr nett und meint, dass er in das Nachbarzimmer gehen werde. Ich denk mir nicht sehr viel dabei. Als ich hinausgehe um im Zentrum des Ortes nach einer Telefonzelle und vielleicht einen Gasthaus zu suchen, stehen 2 jugendliche Mädchen unten. Sie schauen mich verwundert an, ich grüße nur. Als ich schon fast im Zentrum bin, höre ich es hinter mir schreien. Ich blicke mich um, kann aber nicht wirklich was erkennen. So laufe ich weiter Richtung Zentrum. Kurz danach geht alles ganz schnell. Ich höre ein Auto von hinten heranbrausen. Das Auto legt neben mir eine Vollbremsung hin. Eine sichtlich aufgebrachte Frau lässt das Fenster der Beifahrerseite hinunten und beginnt auf französisch in einem unglaublichen Tempo zu schimpfen. Die Schreierei ist nur schwer auszuhalten. Ich versuche zu beruhigen. Sie erklärt mir, dass das von mir bezogenen Zimmer reserviert gewesen sei, eben für den vorhin angetroffenen Mann. Ich versuche ihr mit ruhiger Stimme meine Situation zu erklären, dies scheint aber nicht wirklich von Erfolg gekrönt zu sein. So gehe ich zurück in die Herberge, wo Madame, ich würde sie eher "Die Furie" nennen am telefonieren ist. Vermutlich mit dem Mann, dessen Zimmer ich irrtümlich okkupiert hatte. Ich erklärte ihr, dass es mir komplett egal ist, welches Zimmer ich bekommen würde, außer dem Mann und seiner Frau war ich ohnehin der einzige Gast in der Herberge. So packe ich meine Sachen und komme in ein gänzlich unbeheiztes Zimmer. Nur das eine Zimmer war mit einem Heizungskörper versehen. Das wär mir auch noch egal gewesen, die Unfreundlichkeit der Hospitalera war mir aber gar nicht egal. Sie meinte auch noch, dass ich auch bei Privaten hätte schlafen können - sie will mich offensichtlich nicht als Gast haben und auch nichts mit Pilgern verdienen. So redete ich mit ihr bis zum Frühstück am nächsten Tag auch kein Wort mehr. Irgendwann schien sie etwas besänftigter zu sein, es war für mich aber zu spät. Zumindest für heute. Wie einen kleinen Schulbuben hat sie mich zusammenstauchen wollen. Ich erklärte ihr völlig ruhig, dass ich es nicht gewohnt bin, so angeschrien zu werden. Speziell nach einem langen und anstrengenden Tag ist man durchaus etwas dünnhäutiger, kann man solche Schreitiraden überhaupt nicht gut verkraften. Ich hoffe für die Männerwelt, dass diese Furie keinen armen Mann zu Hause hat, den sie so zusammenstauchen kann! 

Leider gab es weder Geschäft noch Gasthaus in dem kleinen Ort. So gab es Schokolade und Müsliriegel zum Abendessen. Leicht frustriert von der heutigen Begegnung mit der "Hospitalera" ging ich schlafen.


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