Donnerstag, 11. April 2013

Tag 11: Amsoldingen - Heitenried

Von Amsoldingen nach Heitenried
Distanz: 35,3 KM
Unterkunft Heitenried: Pilgerherberge 

Was sich die zwei wohl bei meinem Anblick gedacht haben?
So gut wie heute hatte ich bis dato wahrscheinlich noch nicht geschlafen - das Doppelbett war willkommener Luxus - ich konnte mich richtig gut ausbreiten. Frau Widmer richtet mir ein tolles Frühstück - ich fühl mich gut! Den Wecker hatte ich heute übrigens zum ersten Mal gebraucht - so gut und tief war mein Schlaf heute. Ich gehe zu Beginn einige Meter in die verkehrte Richtung. Ich will mir die Kirche von Amsoldingen anschauen. Ich war gestern einfach zu müde, um noch einen Blick hineinzuwerfen. Die Kirche hat einen Stempel aufgelegt. Er gefällt mir und ich benütze ihn. Und dies, obwohl sich wenige Minuten zuvor jener meiner Unterkunft in meinem hochoffiziellen Dokument verewigt hat. 2 Stempel an einem Tag. Schaden kann es nicht und Platz ist genug vorhanden. Ich wusste anfangs noch nicht, wie ich das mit den Pilgerpässen machen sollte. Drei würde ich auf meinem langen Weg in jedem Fall brauchen. 40 Stempelfelder sind in meinem ersten Credential abgedruckt. Es ist das spanische und wohl auch meist gebräuchliche Credential. Ich verstehe kein spanisch. Mir gefällt aber seine Aufmachung, das Deckblatt mit den Pilgersymbolen und die Hinterseite mit all den Landkarten und darin eingezeichneten Pilgerwegen. Ich habe das Credential bei der Jakobusgesellschaft in Salzburg bestellt, deren Vereinsstempel die 2. Seite ziert. Unterhalb davon stehen auf 6 Zeilen meine persönlichen Daten – ein paar Buchstaben und Zahlen, die meine Person auf höchst theoretische Art und Weise zum Leben erwecken sollen. Ganz unten schließlich ist jener Platz freigehalten, der für den Sello, also den Stempel in Santiago vorgesehen ist. Im Pilgerbuch, das in der Kirche aufliegt, hat sich als letztes Hans eingetragen. Später sollte ich erfahren, dass er in derselben Herberge übernachtet hat, wie ich. Es freute ihn allerdings nicht, den ganzen Thunersee zu umlaufen. Er nahm in Merligen das Schiff bis nach Spiez. Ich war jedoch froh, die Garnisonsstadt besucht zu haben - neben Rapperswil und später Fribourg war dies die wohl imposanteste Stadt in der Eidgenossenschaft. Als ich das Gotteshaus verlasse, fährt gerade die Vermieterin von letzter Nacht an mir vorbei und winkt heftig. Eine sehr angenehme und positive Frau! Obwohl es gestern ein sehr anstrengender Tag war, nahm ich mir auch heute wieder viel vor. Gute 35 Kilometer sollten es heute werden. In einem kleinen Geschäft kauf ich Proviant ein. Gegenüber steht eine Telefonzelle. Ich telefoniere die Pilgerherberge in Heitenried an, um mich für heute Abend anzumelden. Im Pilgerforum las ich, dass dies der Herbergsvater Klaus so wünscht. Ich erwische ihn und alles ist geregelt. Ich sei bis jetzt die einzige Anmeldung für heute Abend. Das überrascht mich nicht, treffe ich doch nie auf andere Pilger. Gestern war kurz nach Thun ein Mann sehr interessiert an meinem Camino. Er sprach einige nette Worte - klar, er war den Camino selbst schon einmal gegangen und konnte sich in mich hineinversetzen.  

Die Kirche in Wattenwil
In Wattenwil mache ich eine erste Pause. Es gibt dort in einem Café verführerische Torten. Eine Kirsch-Sahne-Torte mit einem großen Schuss Hochprozentigem haben es mir angetan. Ich lese auch die regionale Zeitung. Komisch, wie unwichtig einem die restliche Welt erscheint, wenn man sich auf dem Camino befindet. In Rüeggisberg aß ich zu Mittag, aber nur eine Lauchsuppe mit Brot, dazu eine Cola. Es regnete heute sehr viel. Später kam die Sonne, begleitet mit einem recht starken Wind. Der Camino war heute weitestgehend sehr schön. Vor allem die Pflasterstraße nach Heitenried gefiel mir sehr gut. Weniger gut natürlich die gesprayten Nazi-Parolen, die auf den Wänden entlang des letzten Wegstückes zu sehen waren. Hospitalero Klaus meinte später nur kopfschüttelnd, dass er  die Schmierereien melden würde. Ich bin auch heute wieder mutterseelenallein auf meinem Camino. Die Natur macht sich schon deutlich bemerkbar, vieles blüht und sprießt bereits. Auch wenn ich eigentlich immer den Herbst für meinen Camino favorisiert hatte, diese Stimmung des Aufbruchs, des neuen Lebens gefällt mir schon sehr gut.

Der Camino kurz nach Rüeggisberg
Als ich in Heitenried ankomme ist es kurz vor 19 Uhr. Um 08:00 ging es heute los. Es war wiederum ein sehr langer Tag. Aber ich wollte unbedingt zu dieser Pilgerherberge. Ich hatte nur gutes darüber gehört. Der Empfang ist auch sehr herzlich. Klaus und seine Lebensgefährtin Frieda erwarten mich bereits. Es riecht schon fantastisch. Ich frage nur, bis wann sie essen wollen. Klaus lacht nur und meint, eigentlich jetzt. So muss die Körperhygiene heute warten. Die Pilgerherberge ist sehr groß. Als einziger Pilger würde ich massig Platz haben. Klaus erzählt mir von den letzten Pilgerübernachtungen. Hans und Guido waren beide da. Wir essen hervorragend zu Abend. Es gibt zunächst einen Salat, dann ein großes Stück Fleisch (oh wie hatte ich so was vermisst!), einen Kartoffel- Blumenkohlauflauf und fantastischen Rotwein aus Genf. Normalerweise mache ich mir nichts aus Rotwein, der hat es mir an diesem Abend aber angetan. Neben den heutigen 35 Kilometern brachte mir auch der Wein starke Müdigkeit - aber keine negative. Ich würde sie als eine positive Schwermut umschreiben. Zum Dessert gab es noch eine regionale Köstlichkeit, deren Name ich leider vergaß. Es war in jedem Fall eine Torte aus der Region. Wir unterhielten uns bestens. Klaus und Frieda waren selber auf dem Camino. Sie berichteten mir einiges, gaben auch einige Tipps. Von Klaus konnte ich auch ein kleines gelbes Unterkunftsverzeichnis für die bevorstehende Via Gebennensis erwerben. Dieses kleine Heft war, wie sich später herausstellen sollte, wirklich Gold wert! Nach Brienzwiler war dies heute meine 2., und in der Schweiz auch letzte Übernachtung in einer Pilgerherberge und ich kann nur Positives davon berichten! Ich ärgere mich in Nachhinein ein wenig, dass ich an dem herrlich schönen Tag in Rapperswil nicht in der dortigen Pilgerherbe übernachtet hatte und stattdessen zum unsympathischen Lützelhof weitermarschiert bin. Nachdem wir gegessen haben, ging es bald in die Haja. Heute habe ich mir meine 2. Blase zugezogen - wieder an der linken Fußsohle. Es tut aber nicht sehr weh. Das Compeed-Pflaster würde helfen, den Heilungsprozess in Gang zu setzen, beziehungsweise zu beschleunigen. Nachdem ich mein Tagebuch aktualisiert hatte, fiel ich sogleich in einen tiefen Schlaf. Morgen möchte ich nur 14 Kilometer gehen, da ich in Fribourg eine liebe Freundin treffen werde. Fribourg kenne ich schon von anderen Gelegenheiten - ich freu mich schon sehr darauf!

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