Donnerstag, 18. April 2013

Tag 18: Genf - Charly

Von Genf nach Charly
Distanz: 24,4 KM
Unterkunft Charly: Gîte d´étape communal Chez l´Odette


Jakobsmuschel an einer Genfer Hausfassade
Es geht nun also doch weiter. Meinen Füßen geht es zwar nicht besonders gut, aber irgendwie war in mir der Gedanke verhaftet, dass es in Frankreich wieder gut gehen würde. Der Nachtmarsch von Lausanne nach Genf steckt mir zwar immer noch in den Knochen/Füßen, der Ruhetag in Genf hat mir aber sehr gut getan. Ich passiere bei meinem Weg aus Genf auch das Wohnhaus Place du Bourg-de-Four 21, an dessen Fassade eine schöne goldene Jakobsmuschel aus dem Jahr 1631 abgebildet ist - dort war früher ein Sammelpunkt der Jakobspilger nach Santiago de Compostela. In Charrot würde ich die Eidgenossenschaft verlassen und französischen Boden betreten. Kurz vor der Grenzstelle gibt es eine Pilgerstelle. Pilgerbuch und -Stempel liegen auf. Neben den altbekannten Einträgen von Hans (aus Altheim) und Guido (aus Gossau) lese ich erstmals auch von Lisa aus Wien. Die wenigen Einträge im Pilgerbuch lassen jedoch darauf schließen, dass ähnlich wie bereits auch auf der Via Jacobi, die Via Gebennensis nicht von Pilgermassen überlaufen sein wird. Wann würde ich auf meinem Weg endlich erstmals einem anderen Pilger begegnen?

Markierungen in Frankreich
Ich hatte heute einige Kilometer am Asphalt zurückzulegen und es war relativ warm. Ich kam sehr gut voran. Die Markierungen in Frankreich waren komplett anders als jene in der Schweiz. Ich hatte nun nicht mehr nach gelben Tafeln mit einem weißen Vierer auf grünem bzw. blauen Grund zu suchen. In Frankreich war entweder die gelbe Jakobsmuschel auf blauem Grund zu sehen, oder aber auch die weiß-rote Wandermarkierung. Ab Le Puy-en-Velay ist der Jakobsweg dann bis Roncesvaux auch als Fernwanderweg GR (frz. sentier de grande randonnée) 65 bezeichnet. Eines vorweg: die Markierungen des Jakobsweges sind in Frankreich ebenso gut und durchgängig vorhanden, wie in der Schweiz. In Spanien ist es dann aufgrund der vielen gelben Pfeile und Jakobsmuschel-Symbole ohnehin nahezu unmöglich sich zu verlaufen. Die Markierungen in Frankreich sind lediglich ein wenig kleiner als in der Schweiz, man braucht daher vielleicht ein wenig mehr Konzentration während des Gehens. Übrigens sind die Jakobsmuscheln in Frankreich immer so zu interpretieren, dass man in Richtung des Muschelzentrums, also nicht in Richtung der Strahlen zu wandern hat. Relativ bald nach dem Grenzübergang erreiche ich Neydens. Dort konnte ich mich in einer Bäckerei noch mit Proviant eindecken. Mein Führer riet mir dies zu tun, sollte es dann doch für viele Kilometer (bis Frangy) keine Möglichkeit mehr dazu geben. 

Der Weg kurz vor Charly ist wunderschön
Über den Col du Mont-Sion erreiche ich Beaumont. Dort dient eine alte Käserei als Gîte d´Etappe. Es ist aber noch zu früh, um Feierabend zu machen, ich will noch weiter gehen. Vor der örtlichen Kirche, der Église St-Etienne steht eine recht große, leider bereits auch ein wenig ramponierte Jakobsstatue. Nachdem ich das ehemalige Kloster Chartreuse de Pomier erreicht hatte, verläuft der Jakobsweg über schöne, einsame Feldwege an Äckern und Wiesen vorbei, weiter. Keine Menschenseele sollte mir auf diesen Wegen begegnen.

Die Unterkunft meiner ersten Nacht in Frankreich:
Relais "Chez Odette"
Um ca. 16:00 erreiche ich die kommunale Herberge von Charly. Bei meiner Ankunft bei der Herberge bin ich alleine. Dei Türe steht offen. Eine Küche mit Aufenthaltsraum befinden sich im Erdgeschoß. Im 1. und 2. Stock sind je einige Matrazen ausgelegt. Im 1. Stock befindet sich zudem ein Bad. Eine tolle Einrichtung! Es bleibt nur zu hoffen, dass die ankommenden Pilger diese Herberge mit dem nötigen Respekt behandeln. Die Sonne scheint noch freundlich vom Himmel herab. Ich wasche nach dem Duschen meine Wäsche und hänge sie auch sogleich auf eine vorhandene Wäschespinne. Ich will die in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche Kirche besichtigen. Die Türe klemmt. Eine junge Frau will mir helfen und ruft nach einer älteren Frau, die mit ihrem Ehemann vor dem Haus neben der Herberge sitzt. Mit einem gezielten Fußtritt öffnet Madame geschickt die Türe und führt mich sichtlich stolz in das Kircheninnere. Sie fragt mich, ob ich heute in der Herberge übernachten möchte. Ich nicke, worauf sie mich mit den "Herbergsregeln" vertraut macht. Ab 22:00 schließt die Herbergstür automatisch, man kann also nurmehr aus, nicht mehr eintreten. In der Küche sind Grundnahrungsmittel vorhanden, die man gegen eine freiwillige Spende nutzen kann, wie man will. In zwei in der Herberge angebrachten Briefkasten kann man die Nachtgebühr (10€) und das Geld für die verwendeten Nahrungsmittel einwerfen. Ich bedanke mich bei Madame und bringe ihr und ihrem Mann noch einige Schokolade-Ostereier aus der Schweiz. Sie freuen sich sichtlich darüber.

Im Zentrum von Charly
Ich setzte mich vor "meine" Herberge und beginne mein Tagebuch zu beschreiben. Nach wenigen Minuten kommt eine völlig blau bekleidete Gestalt auf mich zu. Der große Rucksack und die Kleidung lassen keinen Zweifel mehr offen - meine erste Pilgerbekanntschaft auf meinem Camino steht vor mir! Sofort wird mir klar - das muss der "Blaue Michel" sein. In der Pilgerherberge in Brienzwiler hatte ich von einem völlig in blau gekleideten, jungen Deutschen erfahren, der von München aus seinen Camino gestartet hatte. Er sei komplett ohne Geld von zu Hause aus aufgebrochen und sei komplett blau gekleidet. Ich freue mich über meine erste Pilgerbekanntschaft. Wir essen vor der Herberge sehr einfach zu Abend und reden über unsere Pilgererlebnisse. 


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