Freitag, 5. April 2013

Tag 5: Pfäffikon - Alpthal

Von Pfäffikon nach Alpthal
Distanz 19,9 KM
Unterkunft Alpthal: Fam. Schuler Marty (Fremdenzimmer)
 
Die Worte sprechen für sich
Als ich aufwache, möchte ich den Hof schnell verlassen. Ich gehe (endlich) Zähneputzen und mich waschen. Unterwegs treffe ich auf den Hofbesitzer. Ich zahle sogleich für Unterkunft und Frühstück. Es kostet 30 SFR. In der Zwischenzeit wurde ein Tablett mit Frühstücksutensilien auf den Tisch des Matratzenlagers gebracht. Obwohl ich gestern nur einen Müsliriegel zum Abendessen hatte, wollte es mir an diesem Ort einfach nicht schmecken. Ich esse eine Scheibe Brot, packe eine 2. in meinen Rucksack und mach mich wieder auf dem Weg. Es geht sogleich weiter steil bergauf. Über eine Brücke überquere ich die Autobahn. Mein rechtes Knie schmerzte während des Aufstiegs sehr. Ich biss die Zähne zusammen und kam nur recht langsam voran. Der Schmerz strahlte auch bald Richtung Hüfte. Ich wusste, dass dies das Ende meines Caminos bedeuten konnte. Ich wollte um jeden Preis zumindest nach Einsiedeln kommen. Auch wenn dies das minimalste Minimalziel in meinen Vorstellungen war. Der heutige Tag ist nebelig und recht kühl.
 
Auf den Spuren des Hlg. Jakobus trifft man
auch auf Paracelsus
Die kühlen Temperaturen sind zum Laufen eigentlich ziemlich ideal. Viele Raben begleiten mich heute auf meinem Weg. Mir kommt Ludwig Hirschs Lied "Komm großer schwarzer Vogel" in den Sinn. Es passt zu der melancholischen Stimmung. Nach bereits rund 1 1/2 Stunden erreiche ich den 950 Meter hoch gelegene Etzelpass mit der Kapelle St. Meinrad. Ganz plötzlich und unverhofft taucht sie in den Nebelschwaden auf. Als ich das Kleinod betrete geht automatisch das Licht an. Es ist kein Wunder - lediglich eine gelungene elektrische Installation. Die Kapelle ist ein wahrer Kraftort. Ich kann es nicht erklären, aber eine starke Kraft durchfließt meinen Körper. Als ich nach einigen Minuten der völligen Stille wieder auf den Camino gehe, spüre ich keinen Schmerz mehr. Mir wurde es erst kurz vor Einsiedeln so richtig bewusst. Ich war glücklich. 5 Tage auf dem Camino. Ich hatte bereits Schmerzen gehabt, unfreundliche Menschen angetroffen, mehr als einen Zweifel an der Sinnhaftigkeit meines Unternehmens und an der Möglichkeit der Durchführung meines Unterfangens gehabt. Jetzt war ich einfach nur glücklich. Der Weg ist - vor allem für die Psyche - zu Beginn eines Caminos schwer genug. Die schwierigen Wetterbedingungen mit dem Schnee, das ungewohnte Gewicht auf dem Rücken, das Alleinsein. Wenn dann noch physische Beeinträchtigungen hinzukommen, wird es zur totalen Qual.
Eine geteerte Straße führt mich zur Teufelsbrücke ("Tüfelsbrugg"). Ein Gedenkstein erinnert an den großen Wissenschafter Paracelsus. Laut Innschrift hatte der Universalwissenschaftler hier sein Geburtshaus. Ich laufe in der weiteren Folge mutterseelenallein durch nebeldurchzogene Agrarflächen. Auch einige Schneepassagen gilt es zu durchqueren. 

Das Kloster Einsiedeln - ein bewegender Moment
Als ich um ca. 11 Uhr vor dem Kloster in Einsiedeln stehe ist es ein erster wirklich bewegender Moment. Das Heiligtum ist bei mir zu Hause sehr bekannt. Aufgrund der Nähe ist es auch ein sehr beliebter Zielpunkt heimatlicher Pilger. Es ist sehr viel los an jenem Freitag Vormittag. Eine Messfeier hat soeben gestartet. Ich fühle Dankbarkeit dafür, den Ort erreicht zu haben. Ich bete bei der Schwarzen Madonna dafür, weitergehen zu können. Mir wird der Menschentrubel schnell zu viel und so gehe ich in das kleine Zentrum von Einsiedeln. Ich möchte bei einem Mittagessen meinen ersten - wenn auch kleinen - Etappenerfolg feiern. Normalerweise aß ich in Feldkirch am Freitag mit einem Freund beim Chinesen zu Mittag. Heute war Freitag und ich fand auch tatsächlich ein recht günstiges China-Restaurant. Es schmeckte hervorragend. Es gab sogar drei Eiskugeln zum Nachtisch. Ich kaufte noch Getränke nach, bevor ich mich wieder auf den Weg machte. Im Tourismusbüro war eine sehr hilfsbereite Frau. Ich fragte sie nach meinen weiteren Möglichkeiten. So erfuhr ich, dass das Berggasthaus Haggenegg geschlossen ist.

Der Camino zwischen Einsiedeln und
Alpthal
Es wäre mit knapp 4 Stunden noch durchaus erreichbar gewesen. Wenngleich die Schneesituation alles andere als gut sein würde. Sie gab mir den Tipp nur bis Alpthal zu wandern und dort dann nach den Wegbedingungen über den Haggenegg zu fragen. Sie gab mir eine Visitenkarte für eine Pilgerunterkunft in Alpthal. Ich bedanke mich und bin sogleich wieder auf meinem Weg. Ich verlasse Einsiedeln über schöne, einsame Wege. Ich passiere das Kloster Au und komme nach rund einer Stunde in Trachslau an. Alpthal ist schon zu erkennen. Es beginnt zu schneien. Ich komme um ca. 16 Uhr in Alpthal an. Die im Tourismusbüro angegebene Pilgerunterkunft am Ortsausgang hat leider noch nicht geöffnet. Es ist noch zu kalt und nichts vorbereitet. Die nette junge Frau schickt mich aber zu ihrer Oma im Ortszentrum - sie vermiete Fremdenzimmer. So gehe ich einige Minuten wieder in die andere Richtung. Frau Schuler-Marty ist sehr nett. Sie macht mir einen Melissentee und zeigt mir mein Zimmer. Sie erzählt mir auch, dass ein deutscher Pensionist heute in Richtung Schwyz aufgebrochen sei. Zweifelsohne ein Pilger auf dem Camino - vielleicht würde ich ihn ja einholen können. Er wolle am Stück vom Bodensee bis nach Santiago laufen. Es gibt also noch mehr Verrückte wie mich - irgendwie tröstlich. Ich bin alleine in einem schönen Doppelzimmer. Die Übernachtung kostet mit Frühstück 40 SFR.  Gasthäuser haben keine offen, so esse ich nur einen Riegel. Das Tagebuch wird beschrieben, die Akkus von Kamera und MP3-Player geladen. Mit dem MP3-Player im Ohr schlafe ich sehr rasch ein.

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