Freitag, 26. April 2013

Tag 26: St. Julien-Molin-Molette – Les Sétoux

Von St. Julien-Molin-Molette nach Les Sétoux
Distanz: 25,1 KM
Unterkunft Les Sétoux: Gîte d´étape Le Combalou

Der Camino kurz nach St. Julien-Molin-Molette
Es war ein wunderschöner Abend gestern - allerdings spüre ich die Biere doch noch einigermaßen in meinem Kopf. Nach den letzten beiden Übernachtungen war ich einfach nur froh, so einen angenehmen Ort mit netten Menschen angetroffen zu haben. Laurent war natürlich längst bei der Arbeit, als ich aufwache. Ich laufe heute erst um 09:30 los. Im Stadtzentrum kaufe ich in einem kleinen Laden Proviant für den Tag ein. Vor einem Café treffe ich auf eine Frau, die sich als Ruth vorstellt. Sie kommt aus Zug in der Schweiz und wartet gerade auf ihren Mann Edi, der einen Pilgerstempel zu organisieren versucht. Ruth hat körperliche Probleme. Sie wollen diesmal die Etappe von Genf nach St. Jean bewältigen, also die Via Gebennensis. Edi soll bereits 71 sein, sie müssen aber scheinbar doch einigermaßen schnell sein und auch einige Kilometer Laufleistung schaffen. Sie sagen, dass sie am 17. April in Genf gestartet sein wollen. Ich lief  zum Vergleich am 18. von dort los. Ich werde von den beiden im Laufe meines Caminos wieder in diversen Pilgerbüchern lesen, denn sie waren auf wunderbare Art und Weise vor mir an manchem Ort. Das ist eigentlich völlig unmöglich, wenn sie wirklich alles zu Fuß absolviert haben wollen. Es muss mir einfach egal sein, was andere machen. Aber dass sie dann auch alles als selbst gelaufen hinschreiben, find ich eher weniger gut. Sie laufen doch für sich selbst, oder sollten dies zumindest tun. Sonst haben sie irgendetwas am Camino falsch verstanden, zumindest aus meiner Sicht.

Die Kirche in Les Sétoux
In Les Sétoux bin ich mit Francois im Zimmer. Der rüstige Franzose ist bestimmt schon Mitte 60 und läuft gerade von seinem Haus in der Bretagne bis nach Norwegen! Rund 2700 Kilometer in 3 Monaten will er laufen. Er erzählt mir auch, dass er heute 6 andere Pilger getroffen habe, die auf dem Weg nach Le Puy seien. Ich bin froh, dass es noch mehr so Verrückte auf dem Camino gibt :-) Er will, wenn ich es richtig verstanden habe, einer Klostereröffnung oder Ähnlichem beiwohnen. Jeder hat wohl einen anderen Grund, um auf den Camino zu gehen.
Das einzige Gasthaus hat irgendwie auch einen Bezug zu der Herbergsmutter. Dort habe ich mich nach meiner Ankunft auch angemeldet. Eine freundliche Dame meinte, dass die Zuständige später vorbeikommen würde, es aber keine Probleme mit der Übernachtung geben werde. Am Abend würde sie ein Pilgermenü für mich (uns) vorbereiten. Das passt mir sehr gut und so sitze ich am Abend mit Francois beim Abendessen. Es gibt eine Suppe, Fleischknödel mit Kartoffeln, grüner Salat, Baguette und einen Käsegang. Zum Nachtisch gibt es eine Vanillecréme mit Karamellsauce. Das Essen kostet 15€, die Übernachtung 14. Der rote Hauswein schmeckt mir nicht besonders, was aber egal ist. Ich freue mich über die Gesellschaft und die Geschichten von Francois. Er war jedoch leicht genervt, weil die Wirtin recht laut über SKYPE mit Verwandtschaft und Freunden kommunizierte und das inmitten in der Gaststube, was den Lärmpegel deutlich erhöhte. Francois und ich waren die einzigen Gäste. Allerdings sollte später noch eine größere Gruppe (eine Art Motorradrennstall) kommen. Wir erfahren auch, dass die Gruppe in derselben Herberge übernachten wird. Wir wissen, dass könnte in der Nacht zu Problemen führen und leider war es dann auch so. Die Gruppe feierte ziemlich rücksichtslos bis in die späten (frühen) Stunden. Wir erfahren auf Nachfrage von Francois, dass für morgen Schneefall angesagt ist. Ich kann das  noch nicht wirklich glauben. Nach dem Tagebuchschreiben geht es alsbald ins Bett. Die Herberge ist in sehr gutem Zustand und sehr sauber. Der Rotwein machte mich müde und so schlafe ich bald ein.

1 Kommentar:

  1. Nun, man soll die Alten nicht unbedingt in ihrer Leistung unterschätzen ;-) Vor knapp 10 Jahren bin ich mit 58 den Appenzellerweg von Rohrschach bis Lausanne in 13 Tagen gelaufen. Im Schnitt waren es 30km/Tag. Die längste Strecke betrug 44km von Gwatt (vor Thun) nach Heitenried. Diese Strecke bin ich mit einem mindestens 15 Jahre älteren Herr gelaufen, der alles mitmachte und in keiner Weise mir unterlegen war.
    Grüsse, Otto
    PS.: Der Bericht ist sehr interessant.

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