Dienstag, 23. April 2013

Tag 23: Valencogne – Pommier-de-Beaurepaire

Von Valencogne nach Pommier-de-Beaurepaire
Distanz: 46,4 KM
Unterkunft Pommier-de-Beaurepaire: Le Mas Surchardon (Maison Poncet)

Die Kirche in Valencogne
Gut schlief ich vergangene Nacht sicher nicht. Die unfreundliche Art der Hospitalera, die im Grunde gar keine Pilger bei sich aufnehmen will, stößt mir heute noch sauer auf. Gerade wenn man körperlich Anstrengendes vollbringt, kann man solche emotionalen Spitzen nicht wirklich gut vertragen. Widerwillig marschiere ich in den Frühstücksraum, nachdem ich meinen Rucksack gepackt hatte. Madame scheint ihr gestriges Fehlverhalten leid zu tun, sie ist freundlich und schafft es sogar zu lächeln. Ich bin nicht wirklich auf Versöhnung aus heute - ich möchte sie spüren lassen, wie unangebracht ihr Verhalten war. Bei Sonnenschein mache ich mich wieder auf den Weg. Ich wusste nicht, wo sich Michael aufhalten würde - aber ganz bestimmt ist er auch diesmal wieder irgendwo untergekommen, auch ohne Geld. Heute traf ich auch einige Pilger auf meinem Weg, zunächst ein älteres Paar aus Potsdam. Sie hatten mit Lisa in der kommunalen Herberge in Charly übernachtet. Ich hatte also einen ganzen Tag auf sie aufgeholt. Sie genossen gerade eine Jause unter einem Baum. Ich richtete ihnen - wie Lisa versprochen - die schönen Grüße aus. Sie freuten sich und boten mir Baguette und Käse an. Von mir bekamen sie zwei Karamel-Schokoriegel. Ich ging dann aber relativ schnell alleine weiter. Sie meinten noch, wir würden uns sicher bald wiedersehen. Ich wusste dass dies nicht sehr wahrscheinlich bis unmöglich war, ich war inzwischen läuferisch viel zu stark für sie. Da sie auch erst in Genf gestartet sind, war ich einfach schon trainierter. Dennoch nickte ich und ging wieder meines Weges. Ich traf sie auch tatsächlich nicht mehr. Meine Tagesleistung wurde immer größer. Die Kilometer wurden immer mehr, mein Tempo immer schneller. Auch 3 deutsche Pilgerinnen aus dem Schwabenland wurden von mir überholt, als sie vor einer Kirche Pause machten. Ich sollte später dann noch 3 Pilger aus Fribourg und eine fünfköpfige Frauengruppe aus dem Allgäu überholen. 13 Pilger an einem Tag - nachdem ich in der Schweiz keinen einzigen Pilger angetroffen hatte, nimmt es hier geradezu beängstigende Formen an :-) 

In Faramans angekommen, hatte ich mich um eine Unterkunft zu kümmern. Um die 40 Kilometer hatte ich bereits hinter mir - ich war müde und die Sonne wurde auch allmählich schwächer. Ich fand eine Telefonzelle, von wo aus ich bei einer Herberge anrief, die eine gute Stunde nach Faramans sein sollte. Ich bekam Gott sei Dank gleich eine Zusage. Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass dort nur Platz für 2 Pilger sein würde. Zudem handelt es sich nicht um ein Haus im eigentlichen Sinn, sondern mehr um ein kleines Gartenhaus, wo 1 Stockbett aufgestellt wurde. Der Besitzer kam mir nach einer knappen Stunde mit dem Auto entgegen und wollte mich mitnehmen. Ich lehnte ab. Auch meinen Rucksack wollte ich ihm nicht mitgeben. Ich war Pilger und wollte die ganze Strecke laufen und auch alle meine Sachen mit meinem eigenen Körper bis nach Santiago und weiter bis ans "Ende der Welt" tragen. Ich wusste, dass ich mich heute an den Grenzen des Körperlichen bewegte. Wahrscheinlich wäre im Nachhinein betrachtet Faramans der bessere Ort für die Übernachtung gewesen.

Aber so erlebte ich einen sensationell schönen Sonnenuntergang in fantastischer Landschaft. Ein Meer von Rapsfeldern umgab mich, als die orange Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand. Ich fühlte mich so frei wie noch nie in meinem Leben. So lange und so weit laufen wie es mir mein Körper vorgibt. Zielstrebig weiter in Richtung Westen. Als ich schon im Dunkeln ankam, servierte mir der Besitzer des Gartenhauses Pasta mit Rührei. Seine Freundlichkeit war sicher da, allerdings ist bei ihm nichts umsonst. Alles wurde später fein säuberlich verrechnet. Ein Kühlschrank war in der Unterkunft ebenfalls vorhanden, wo man Bier und andere Getränke gegen Bezahlung raus nehmen konnte. Nach über 46 Kilometern Laufleistung gönnte ich mir das ein oder andere Bier. Dusche und WC waren im Freien und hatten keine komplette geschlossene Türe. So warm wie mir heute im Laufe des Tages auch war, jetzt fror ich doch einigermaßen. Die Beschreibung der heutigen Unterkunft soll nur deswegen so detailliert sein, damit nicht der Anschein geweckt wird, dass nicht jeden Tag nur schöne Unterkünfte und  nette Hospitaleros anzutreffen sind. Eine Hand voll Unterkünfte würde ich im Nachhinein nicht mehr aufsuchen und demzufolge auch nicht weiterempfehlen. In den letzten beiden Tagen hatte ich wohl einfach nur Pech.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen