Dienstag, 18. Juni 2013

Tag 79: Santiago de Compostela – Burgos (Bus)

Der Raxoi-Palast gegenüber der Kathedrale
Der Tag meiner Abreise. Der Camino ist nun abgeschlossen. Trotzdem werde ich erst übermorgen wieder zu Hause sein. Unglaubliche 36 Stunden Busfahrt stehen mir bevor. Ich fahre eine Strecke zurück, die ich in 77 Tagen von der anderen Richtung her "erwandert" hatte - ein komisches Gefühl. Eva ist bereits sehr früh morgens aufgebrochen. Sie verabschiedete sich noch von mir. Es ist ausgemacht, dass wir uns im Oktober gemeinsam mit Hans bei Harald im Südtirol treffen werden. Der Abschied fällt mir sehr schwer, ich will es mir aber nicht anmerken lassen. Ich habe heute keine Eile, mein Bus würde erst zur Mittagszeit vom Busbahnhof Santiagos losfahren. Um 08:30 stehe ich auf und führe dasselbe Ritual durch, wie ich es mir die letzten Wochen, ja Monate angewöhnt hatte. Nach der Körperhygiene packe ich meinen Rucksack - das letzte Mal. Ich gehe in den voll besetzten Frühstücksraum. In Santiago angekommen scheint es niemand mehr wirklich eilig zu haben. Von Ruhe und Einkehr ist aber natürlich nichts mehr zu spüren. Ein herrliches Buffet ist angerichtet, es bleiben keine Wünsche offen… Ich setze mich an den Tisch einer rund 60-jährigen Frau, die ein Südafrikanisches Sportdress trägt. Es stellt sich schnell heraus, dass es sich um eine deutsche Pilgerin handelt. Sie erzählt mir, dass sie auf dem Weg nach Fisterra Opfer eines versuchten Raubüberfalls wurde. Es ist das erste Mal, dass ich am Camino aus erster Hand von einer kriminellen Handlung erfahre. Ein lautes Schreien und die auf Deutsch ausgesprochene Drohung, eine größere Anzahl anderer Pilger hinter sich zu haben (was gelogen war), schüchterte den Räuber offensichtlich dermaßen ein, dass er das Weite suchte. Sie entschied sich, nicht zur Polizei zu gehen. Zum einen aus Angst, von den Polizisten nicht richtig verstanden zu werden, da sie dem Spanischen nicht mächtig war. Zum anderen, weil es ihrer Meinung nach auch nichts bringen würde. Nach dem Motto "The show must go on" würde ein vermehrtes Auftreten von Polizisten am Camino nur als tourismus- und somit auch pilgerfeindlich angesehen werden. "Die würden doch eh nix unternehmen" meint sie. Nie wurde ich während meines Camino Zeuge auch nur irgendeiner Straftat. Ich sage ihr, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich dies wirklich hätte wissen wollen – irgendwie hätte ich den Camino gerne als gewalt- und deliktfreie Zone in meiner Erinnerung mit nach Hause genommen. Aber so ist eben die Realität. Und nichts anderes spiegelt der Camino wider. 

Gasse in Santiago de Compostela
Nach dem Frühstück nehme ich umgehend meinen bereits gepackten und reisefertigen Rucksack in die Hand, gebe den Schlüssel an der Rezeption ab und mache mich auf den Weg zur Busstation. Natürlich nicht, ohne noch einmal auf den Plaza del Obradoiro mit der Kathedrale, dem Raxoi-Palast und dem Parador-Hotel kurz ein letztes Mal zu verweilen. Die goldenen Muschelwegweiser Santiagos führen mich nun in die andere Richtung aus dem Zentrum der Stadt hinaus. In einem kleinen Supermarkt versorge ich mich mit dem Nötigsten - es sollte ja eine lange Fahrt werden. Am Busbahnhof angekommen weiß ich zunächst nicht, wohin ich gehen muss, aus den ausgestellten Fahrtunterlagen geht es nicht klar hervor. Eine am Informationsstand stehende Angestellte schickt mich in die falsche Richtung. Nachdem ich eine halbe Stunde vor Abfahrt ziemlich alleine an einer verwaist scheinenden Bushaltestelle stehe, wird schnell klar, das etwas nicht stimmen kann. Ich frage noch einmal - diesmal bei einer anderen Dame. Sie schickt mich ins Untergeschoß des Bahnhofs. Hier musste ich richtig sein. Zahlreiche Pilger warteten mit ihren Rucksäcken ungeduldig auf die Zuweisung ihrer Busse. Die spanischen Angestellten des Reiseunternehmens schienen völlig überfordert. Die Menschen waren gestresst und egoistisch. 

Ein Boden-Wegweiser in Santiago de
Compostela
Viele schienen Panik zu haben, keinen Sitzplatz mehr in Bus ergattern zu können. Ich empfand es als schlimm, wie schnell manche Menschen wieder in ihrem alltäglichen Trott verhaftet waren und sich darin auch noch sehr wohl zu fühlen schienen. Als ein Angestellter meinen Rucksack unsanft in den Gepäckraum des Busses beförderte, wurde ich auch kurz unrund. Schließlich waren teils leicht zerbrechliche Gegenstände, Souvenirs aus der Apostelstadt darin verstaut. Zu Hause stellte ich zu meiner Erleichterung fest, dass alles heil geblieben war. Über die Fahrt selber will ich nichts mehr berichten, zu ernüchternd war sie. Ich wollte bewusst langsam in den Alltag zurückkehren. Das permanente Abspielen von Hollywood-Blockbustern (natürlich auch in spanischer Sprache) ließ dies nicht zu. Ich war froh, als ich am Mittwoch kurz vor Mitternacht am Münchner Busbahnhof bei der Hackerbrücke erreichte. Es hatte auch um diese Uhrzeit noch knapp unter 30 Grad Celsius. Ich ging zum Hautbahnhof und machte es mir dort im Wartesaal "gemütlich" 

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