Mittwoch, 5. Juni 2013

Tag 66: Hospital de Orbigo - Rabanal del Camino

Von Hospital de Orbigo nach Rabanal del Camino
Distanz: 37,6 KM
Unterkunft Rabanal del Camino: Albergue El Pilar

 
Der Camino in all seiner Schönheit
Ich konnte heute Nacht überhaupt nicht gut schlafen - das Schnarchkonzert eines Pilgers schräg über mir war furchterregend. Einige andere Leidensgenossen waren auch sehr genervt. Die Unterkunft war aber sehr schön und ich habe mich in der Herberge sehr wohl gefühlt. Das Frühstück ist sehr spartanisch. Toast, Butter und Marmelade und Kakao. Als ich mich von der Hospitalera verabschiede, schreibt sie mir ihre E-Mail-Adresse auf. Ich solle ihre schreiben. Sie umarmt mich, bevor ich durch die Türe nach draußen verschwinde. Ich treffe bald auf einen Südkoreanischen Pilger, der in derselben Herberge geschlafen hat. Wir laufen gemeinsam bis Astorga.

International: Ungarn, Südkorea, Norwegen und Österreich
bei einer Pilgerstation
Attila wird unterwegs von uns aufgesammelt - er ist heute sichtlich vom gestrigen Alkoholkonsum gezeichnet und nicht gut auf den Beinen. Unterwegs finden wir eine herrenlose Tasche. Sollte sie noch einen Besitzer haben, so ist er oder sie weit und breit nicht zu sehen. Wir schauen hinein, ob ein Hinweis auf den Besitzer zu finden ist. Das ist nicht der Fall. Wir lassen die Tasche vorsichtshalber liegen. Vielleicht wurde sie mit Absicht dort abgestellt, weil sie jemand loswerden wollte. Da kommt uns auf einmal ein Fahrradfahrer entgegen, der uns nach einer verlorenen Tasche fragt. Er freut sich sichtlich, als wir berichten konnten dass sie vor wenigen Minuten noch an ihrem Ort des Vergessens stand.

Das Rathaus von Astorga
Kurz vor Astorga trafen wir drei dann noch auf einen interessanten Mann, der einen Stand aufgebaut hatte und Getränke und Früchte gegen Spenden anbot. Er wolle für die Pilger da sein, meinte er und nicht mehr für das Wirtschaftssystem arbeiten. Er ist ein Aussteiger. Braungebrannt und recht gut aussehend flirtete er mit den Pilgerinnen und begrüßte jeden Pilger in dessen Heimatsprache, sofern er sie beherrschte. Es hätte auch einen Pilgerstempel in Form eines Herzens gegeben, wie ich später von Eva erfuhr. Von Astorga weg ging ich wieder alleine weiter. Attila besuchte mit seinen beiden ungarischen Pilgerfreunden das Pilgermuseum, während mein südkoreanischer Pilgerfreund mit Landsleuten in Astorga bleiben wollte.

Die Cowboybar in El Ganso
Es störte mich nicht, wieder alleine unterwegs zu sein. Der Weg nach Astorga war wunderbar. Ich war nahezu immer alleine unterwegs. Lediglich in Santa Catalina de Somoza, ein kleiner idyllischer Ort direkt am Weg, traf ich auf einen gestern in der Herberge kennengelernten französischen Pilger. Wir trinken gemeinsam was, ehe ich mich verabschiede. Immerhin hatte ich noch gut 11 Kilometer vor mir. Besonders imponierend war für mich eine ältere, kleine Frau, die trotz sichtlich großer Schmerzen Santa Catalina de Somoza gerade verließ. Sie wollte um jeden Preis noch weitere Kilometer machen an diesem Tag. In extrem langsamem Tempo schleppte sie sich Schritt für Schritt vorwärts. Ich wusste, wie es sich anfühlt, unter Schmerzen laufen zu müssen, hatte es ja leider bereits selber am eigenen Körper erfahren müssen. Ich hatte unglaublich großen Respekt vor dieser Frau. Als ich in Rabanal del Camino ankomme, finde ich 2 Herbergen nebeneinander vor. Eine modernere mit angeschlossenem Restaurant und schöner Gast-Terasse und die kommunale Herberge. Ich entschließe mich heute für die modernere. Wahrscheinlich, weil ich große Lust auf ein Bier hatte und dort sofort eines bekommen würde. Wie ich später erfahren sollte, waren die Ungarn in der kommunalen Herberge untergebracht. Wir gingen später aber im Ortszentrum miteinander Abendessen. In meiner Herberge waren heute sehr viele deutsche Pilger mittleren Alters, die sich alle eines Gepäcktransportservices bedienten und dies, obwohl sie keine sichtbaren körperlichen Beeinträchtigungen aufwiesen. Jeder soll den Weg gehen wie er will - meine Art des Pilgerns wäre das aber nicht gewesen.


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