Sonntag, 16. Juni 2013

Tag 77: Olveiroa - Fisterra

Von Olveiroa nach Fisterra
Distanz: 31,9 KM
Unterkunft Fisterra: Pensión Finistellae


Sonnenaufgang in Olveiroa
Der letzte „Lauftag“ meines Caminos. Die unwiderruflich letzten Kilometer auf meinem 11-wöchigen Weg von Feldkirch bis ans Ende der Welt. Eva und ich beschließen, uns sehr zeitig auf die letzte Etappe machen zu wollen. Um 06:00 läutet bereits der Wecker. Die Rucksäcke wurden bereits am Abend des Vortages gepackt. Es ist noch relativ dunkel, als wir die Herberge verlassen. Wir wandern zügig auf die mit vielen Windmühlen bestückte Erhebung hinter Olveiroa. Es war für mich erstaunlich, wie viele Pilger schon so früh morgens unterwegs waren. Wir hatten das Glück, einen wunderbaren Sonnenaufgang beobachten zu können. Der orange-rosa gefärbte Himmel ist mit vielen Wolken verziert. Ich hoffe, dass wir einen schönen letzten Camino-Tag haben werden. Vor allem für den Abend wäre es wünschenswert, soll der Sonnenuntergang am Kap Fisterra doch etwas ganz Besonderes und Eindrucksvolles sein. Gallizien ist durch das vom Atlantik geprägte Klima als sehr feucht verschrien. Wir hatten bis zum heutigen Tag richtig viel Glück mit dem trockenen, meist sonnigen Wetter. 
 
Doppelter Markierstein:
Links - Fisterra, rechts Muxia
Es sind wunderschöne, abwechslungsreiche Wege und Pfade die wir heute bewandern dürfen. Nach 5 Kilometern erreichen wir den kleinen Ort Hospital. Da es die folgenden 15 Kilometer keine weitere Einkehrmöglichkeit mehr geben sollte (wie auch auf einem werbewirksamen Schild beschrieben), beschließen wir dort zu frühstücken. Es gibt Erdbeermarmeladen-Tostadas und Kaffee. Der Holländer von gestern Abend stößt bald auch zu uns. Es tut im sichtlich leid, dass er den Camino gestern als so negativ beschrieben hatte und entschuldigt sich sogar dafür. Vielleicht haben ihm das absehbare Ende seines Caminos oder ein harter Caminotag mit vielen erwanderten Kilometern auf sein Gemüt geschlagen. Wir frühstücken Seite an Seite, ehe es für uns wieder weitergeht. Alsbald kommen wir zu einem entscheidenden Markierungsstein. 2 Muscheln, 2 gelbe Pfeile und 2 Ortsnamen sind auf ihm zu sehen. Der eine Pfeil zeigt in Richtung Fisterra, der andere in Richtung Muxia. Der Markierungsstein erweist sich bald als begehrtes Fotomotiv. Eva zeigt sich als geduldige Fotografin und macht das ein oder andere Foto von gerade ankommenden Pilgern. Dann flüchten wir aber recht schnell und gehen nehmen den linken Straßenverlauf in Richtung Fisterra. 
 
Die Iglesia de San Marcos in Corcubión 
Über heideähnliche Landschaft erreichen wir die Kapelle "Ermita de Nuestra de las Nieves", deren anliegende Quelle gut für stillende Frauen und Muttertiere sein soll. Wir laufen noch eine knappe Stunde weiter - und plötzlich war es da: das Meer! Um ca. 10:15 konnten wir einen ersten Blick auf den Atlantik werfen. 77 Tage musste ich durch Binnenland laufen, um endlich am Meer zu sein. Ein erhebendes Gefühl! Wir passieren Caminos Chans und kommen nach Cée. Wir können der Küste entlang weiter laufen und kommen nach Corcubión. Die Iglesia de San Marcos ist eine wunderschöne kleine Kirche. Einige Kirchengänger treffen ein, es muss also gleich eine Messfeier stattfinden. Wir wollen nicht stören und haben Hunger. So begeben wir uns in eine kleine Botega direkt am Meer. Es gibt dort auch Bocadillos mit Pulpo. So gern ich den Pulpo auch gegrillt essen mag, auf einem Stück Brot war es mir dann doch ein wenig zu speziell. Die kleinen Tentakel, die aus dem Brot herausragten schlugen mir eindeutig auf dem Magen. Der Flanpudding als Nachtisch war dann aber wieder gut.  
 
Und dann war es plötzlich da: das Meer!
Wir erreichen den langen Sandstand "Playa de Langosteira", der als einer der schönsten Strände Spaniens gilt. Schnell zieht Eva einen vorbereiteten Kunststoffsack hervor und wir beginnen Muscheln zu sammeln. Und dies, obwohl es heftiger und heftiger zu regnen beginnt. Während sich Eva gezielt auf die Suche nach Jakobsmuscheln macht, finde ich beinahe jede Muschel sehr bemerkenswert und als ein Wunderwerk der Natur. Ich bin halt letztendlich doch ein Landei das man mit solch einfachen Dingen in Begeisterung versetzen kann. Aber immerhin hat sich dieses Landei auf den Weg gemacht – bis ans Ende der Welt… Der Sack wird recht schnell voll. Richtig schön große Jakobsmuscheln sind aber nicht zu finden. Meist nur deren Unterschale, die mit ihrem rötlichen Schimmer aber ebenfalls wunderschön anzuschauen ist und behutsam in unseren „Schatzsack“ hineingelegt wird. Bei diversen Souvenirshops in der Stadt und am Kap, sollten dann schöne Jakobsmuscheln um 1-3 € zu erwerben sein. Die selber gesammelten Muscheln waren für mich aber schöner.

Der heilige Jakob begleitet mich bis zum
ultimativen Ende meines Caminos
in Fisterra
Als wir den Strand zur Gänze abgelaufen sind, begeben wir uns sogleich ins Zentrum von Finisterre. Ein Mann, der mit seinem Leiterwagen Feuerholz hinter sich herkarrt und auch lautstark feilzubieten versucht, erklärt uns den Weg zu unserer Unterkunft. Wir passieren den Hafen und die kommunale Herberge im Zentrum des kleinen Fischerdörfchens und gehen dorfauswärts in Richtung Westen. Wir finden alsbald die Herbere „Finistelle“. Für nur wenige Euro mehr bekommen wir ein Zweierzimmer und entgehen somit einer weiteren Nacht unruhigen Schlafs in einem Zimmer mit Schnarchern und Fortgehwütigen. Fisterra ist für viele Pilger der eigentliche Abschluss ihres Camino. Ich verstehe, dass dort eine Menge Ballast herunterfallen muss. Vielleicht mischt sich auch ein wenig Melancholie darunter, ist dort dann doch das unwiderufliche Ende der Pilgerreise gekommen. Das schlechte Wetter mag das seinige dazu beigetragen haben, dass es überaus ruhig ist in der Stadt. Der Plan war klar, wir wollten einkaufen gehen und den Sonnenuntergang beim Leuchtturm, am tatsächlichen „Ende der Welt“ verbringen. Vor allem Eva, die bereits letztes Jahr Pech mit dem Wetter in Finisterre hatte. Damals hatte sie zunächst auch unglaubliches Wetterglück. Während ihrer 2 Wochen am Camino Portuges gab es bei ihr keinen einzigen Regentag. Kaum in Fisterra angekommen, öffnete der Himmel seine Schleusen. Es ist sehr schwer in Worte zu fassen, wie man sich fühlt, wenn man 2500 Kilometer hinter sich gerbacht hat. Das ganze Spektrum an Emotionen kam in mir hoch. Auch ein gewisser Stolz, in erster Linie aber einfach nur Dankbarkeit. Ich war dankbar, gesund diesen langen Weg bewältigt haben zu können. Der Weg wird mein ganzes Leben lang ein Teil von mir sein.
 

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