Freitag, 7. Juni 2013

Tag 68: Cacabelos - La Faba

Von  Cacabelos nach La Faba
Distanz: 32,1 KM
Unterkunft La Faba: "Schwabenhaus"


Nach den knapp 50 Kilometern gestern hab ich hervorragend geschlafen. Jacques und ich stehen gleichzeitig auf. Er muss heute viel Organisatorisches machen, um das ich ihn bei Gott nicht bendeide. Er meint noch, dass wir uns sicher bald wieder treffen werden. Ich nicke, weiß aber insgeheim, dass dies nicht sehr wahrscheinlich ist. Laure und Marisella waren nicht mehr zu sehen, sie waren bestimmt bereits wieder unterwegs. Sie erwähnten gestern, dass sie sich immer sehr frühzeitig auf den Weg machen würden. Nach einer halben Stunde erreiche ich den Weiler Pieros. Ein Café liegt auf der anderen Straßenseite - so beschließe ich, dort zu frühstücken. Über schöne Güterwege passiere ich kleine, völlig verlassen scheinende Dörfer und Weinberge. 

Das Innere der Iglesia de Santiago in Villafrance del
Bierzo (links ist die "Gnadenpforte")
Kurz vor Villafranca del Bierzo hole ich Marisella ein. Wir wandern gemeinsam bis zur Iglesia de Santiago, wo sich die (eine) Puerte del Perdón befindet. Die Kirche ist bei unserer Ankunft noch geschlossen, so beschließen wir, in der Nähe ein Café aufzusuchen, bis die Kirche geöffnet werden würde. Und tatsächlich, pünktlich um 10:00 stapft eine Frau die Straße zur Kirche hoch, einen großen Schlüssel in der Hand führend. Wir besichtigen die Kirche mit der Gnadenpforte. Auch Lore, die wohl eine etwas längere Wegvariante gewählt hatte, war inzwischen hier. Nachdem wir den in der Kirche aufliegenden Stempel für unsere Credentials erhalten haben, laufen wir noch gemeinsam bis zum Zentrum von Villafranca. Mir ist klar, dass ich ein anderes Tempo gehen würde als die beiden Frauen. Zudem hatten sie auch nicht im Sinn, so weite Tagesetappen zu gehen. So verabschiedete ich mich von den beiden und ging wieder alleine weiter. 

Der Camino passiert vor Villafranca zahlreiche
Weinberge
Ich wusste noch nicht, wohin ich heute würde gehen wollen. Zahlreiche Herbergen in kurzen Abständen standen heute zur Auswahl. Besonders in Erinnerung ist mir an jenem Tag ein "Laufduell" mit 2 älteren Herrn. Die rüstigen Männer legten ein irres Tempo vor. Dabei gingen sie nicht den "normalen", ausgeschilderten Jakobsweg, sondern kürzten wann immer möglich ab, egal ob sie dafür das Wandern auf vielbefahrenen Straßen auf sich nehmen mussten oder nicht. Ich konnte es natürlich nicht lassen und überholte die beiden, was sie sichtlich überraschte, aber auch anspornte. Die heutige Etappe war landschaftlich nicht besonders reizvoll. Wahrscheinlich hätte ich am Ortsausgang von Villafrance den "Camino Duro" betreten sollen. Eine Einheimische warnte mich aber davor, und so ging ich stupid - wie wohl die überwiegende Zahl der anderen Pilger auch - dem Straßenverlauf nach. In Trabadelo sollten die beiden Wege dann wieder zusammenführen. Da die Landschaft nicht sehr reizvoll war, fotografierte ich auch nicht viel. Überhaupt war mir das Festhalten von Erinnerungen am Ende des Camino nicht mehr so wichtig wie zuvor. Ich wollte mich mehr mit meinen Gedanken beschäftigten, denn die Verpflichtung verspüren, immer und alles festhalten zu müssen. Lediglich das letzte Stück vor La Faba war landschaftlich wieder etwas reizvoller. Es mussten auch einige Höhenmeter erwandert werden, ehe man aus einem schönen Wäldchen La Faba erreichen konnte.

Das Colegiata de Santa María in Villafranca
Als ich in der schwäbischen Herberge eintreffe, ist bereits Einiges los. Ich sehe auch einige bekannte Gesichter. Im Freien neben dem Haupteingang kann ich mich anmelden. Ich bekomme zum Glück ohne Probleme einen freien Schlafplatz. Bei der Anmeldung erzählt mir ein Hospitalero, dass auch noch zwei andere Österreicher heute in der Herberge übernachten würden. Ich frage, ob ein Hans aus Altheim darunter ist. Er schüttelt zunächst den Kopf. "Nein, aber ein Johannes". Wir brauchen beide eine Weile um zu begreifen, dass es sich wahrscheinlich eh um die gesuchte Person handeln könnte und lachen. Ich werde zu meinem Schlafplatz im Untergeschoss des Hauses geführt. Der Schlafraum ist schon recht gut gefüllt. Eine Gruppe von 2 Männern und einer Frau richten sich neben mir gerade ein. Der Hospitalero meint noch, "ah ja, das ist übrigens der andere Österreicher, der Hans" und zeigt auf einen großen Mann aus der Dreiergruppe, der gerade in seinem Rucksack herumkramt. Ich begrüße ihn sehr herzlich - er scheint von der Situation etwas überfordert, hat er doch überhaupt keine Ahnung, wer vor ihm steht. Ich erkläre ihm, dass ich mich bereits 68 Tage auf seiner Spur befinde und so zu seinem Schatten wurde, freilich ohne dass er davon wissen konnte. Der Schalk schien ihm im Nacken zu sitzen, denn er meinte nur lapidar "hättest Dich halt ein bisschen mehr beeilt!" Er stellt mir die Salzburgerin Eva und den Südtiroler Harald vor, mit denen er bereits einige Tage eine deutschsprachige Camino-Allianz geschlossen hat. 

Pilgerstatue in La Faba
In La Faba gibt es ein kleines Lebensmittelgeschäft. Ich kaufe einige Bier und wir quatschen einige Zeit miteinander. Auch ein Tiroler aus Innsbruck war an jenem Abend noch in La Faba - Westösterreich war in der schwäbisch-geführten Herberge an jenem Tag also sehr stark vertreten. Nicht schlecht geschaut hab ich, als auf einmal Attila in der Herberge aufgetaucht ist. Der Wahnsinnige ist heute von Ponferrada bis nach La Faba gelaufen, was einer Laufleistung von knapp 50 Kilometern entspricht. Ich weiß nicht, warum er das gemacht hatte oder besser immer wieder macht. Ich war bereits einige Zeit länger auf dem Camino als er und konnte solche Distanzen nur höchst selten erreichen. Und wenn ich so weit gelaufen bin, so hatte ich an den folgenden Tagen dann auch nicht selten mit bestimmten Nachwirkungen zu kämpfen. Ein Teufelskerl, der kleine Ungar! 

Am Abend wurde dann noch eine gemeinsame Messe in der direkt benachbarten Kirche San Andrés angeboten. Viele Pilger versammelten sich zum gemeinsamen Gebet - lediglich der angekündigte Zelebrant wollte nicht erscheinen. So wurde es eine spontane, spirituelle Feier, in der jeder Anwesende Programmpunkte beisteuern konnte. Zum Glück waren ein paar kreative Köpfe unter den Anwesenden. Es wurde gebetet, gesungen und geschwiegen. Alles in allem war es ein sehr stimmungsvolles Beisammensein. 

Auch wenn ich niemals gezielt die Gesellschaft deutschsprachiger Pilger, geschweige denn von Landsleuten gesucht hatte, war es ein sehr gutes Gefühl, mit Eva, Hans und Harald reden zu können, für einen Abend lang einer "Herde" angehören zu können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen