Donnerstag, 20. Juni 2013

Die Rückkehr

Viele schöne, unterschiedliche Wege durfte ich bewandern
Am Donnerstag, dem 20. Juni war ich wieder zu Hause. Exakt 81 Tage nachdem ich die Schwelle meines Hauses übertreten und meinen ersten Schritt auf dem Camino getätigt hatte. Ich ging in winterlicher Umgebung mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt los, und kam an einem sommerlich warmen Frühlingstag wieder in Feldkirch an. Nach einer 36-stündigen Odyssee im Bus von Santiago nach München, einer unruhigen Nacht am dortigen Bahnhof und weiteren 4 Stunden im Zug Richtung Ländle, war ich wieder daheim. Ich stieg völlig übernächtigt aus dem Zug und machte das, was ich die letzten 80 Tage gemacht hatte - ich lief. Es waren zwar keine gelben Pfeile mehr zu finden, trotzdem tat die Bewegung nach dem vielen Sitzen gut. Ich lief ins Stadtzentrum und besuchte jenen Ort, der auch im Zentrum des Beginns meiner Reise stand: den Feldkircher Dom. Ich wollte, ja musste danke sagen! Ich bekam die Möglichkeit, die Kraft, 2500 Kilometer zu Fuß bis ans buchstäbliche "Ende der Welt" zu pilgern. Und das alles ohne ernsthafte Krankheit, Verletzung oder anderer Komplikationen. Ich bin mir sicher, dass mich viele gute Gedanken auf meinem Weg begleitet haben. Jemand hat auf mich aufgepasst, ganz sicher. Ich war ganz alleine in dem großen Gotteshaus. Das machte mich froh. Ich hatte auf dem Camino gelernt, was es heißt alleine zu sein. Was es heißt, sich mit sich selber zu beschäftigen. Ich lief aus der Stadt hinaus. Merkwürdigerweise traf ich überhaupt kein bekanntes Gesicht bis ich zu meiner Wohnstraße kam. Ein Nachbar, der gerade vor seinem Haus stand fragte mich, ob ich denn schon von meinen 800 Kilometern Jakobsweg zurück sei. Ich lache nur und sage "Ja, in diesem Moment". Es ist mir nicht wichtig, ob meine Nachbarn, Bekannten und Freunde wissen, wie lange ich nun tatsächlich unterwegs war. Wie viele Kilometer ich nun wirklich zurückgelegt habe. Ich bin diesen Weg nur für eine Person gegangen: für mich! Es war ein sehr merkwürdiges Gefühl, nach knapp 3 Monaten des einfachen, klar strukturierten Pilgeralltags plötzlich wieder in der gewohnten Umgebung zu sein. Es würde seine Zeit brauchen, wieder zu Hause "anzukommen". 

Pilgerstatue kurz vor dem Kap Finisterre
Es sind nun schon wieder gut 2 1/2 Monate seit meiner Rückkehr vom Camino vergangen - unglaublich wie die Zeit "gefühlt" schon wieder an mir vorbeigezogen ist. Vor inzwischen unglaublichen 5 Monaten zog ich meine Wanderstiefel an und betrat erstmals diesen im Zeichen der Jakobsmuschel stehenden, kraftvollen Weg. Ich schau mir die tausenden von Bildern an und kann nicht glauben, dass ich all das wirklich erlebt haben soll. Kommt man an einem Zielpunkt an, so ist das nicht das Ende. Es geht weiter. Es tun sich neue Wege und Ziele auf. Der Camino arbeitet auch heute noch sehr stark an und in mir. Es ist selbst jetzt in diesem Moment noch nicht einfach, das Erlebte in Worte zu fassen. Vielleicht ist dies in seinem ganzen Umfang auch gar nicht möglich. Es spielt keine Rolle, warum jemand diesen Weg gehen will. Am Ende wird die Person wissen, warum er es auf sich genommen hat. Ich weiß, dass ich einen Teil von mir auf den vielen Kilometern des Weges liegen habe lassen. Ich weiß auch, dass ich etwas Anderes dafür bekommen habe. Ich fühle es ganz tief in mir, kann es aber zum jetzigen Zeitpunkt (noch) nicht mit einem passenden Wort benennen.


Der letzte Kilometerstein am "Ende der Welt"
Dieser Blog soll in erster Linie eines tun: Mut machen. Es ist möglich, 2500 Kilometer zu gehen. Natürlich ist es nicht (immer) leicht. Man stößt an Grenzen, physisch wie psychisch. Man verläuft sich des Öfteren. Umwege und Sackgassen sind trotz der weitestgehend guten Markierungen vorprogrammiert. Man begegnet nicht immer nur freundlichen, positiv gesinnten Menschen. Man hat nicht immer nur Sonnenschein und feine Temperaturen, während man sich Schritt für Schritt seinem Ziel nähert. Der Weg bietet so viele Metaphern und Perspektiven für unser Leben - der Camino ist tatsächlich ein Abbild unseres Lebens. Nur scheinen seine Lektionen und Lehren aufgrund seiner großen Anforderungen manchmal extremer.

Ich kann nur jedem raten, sich einmal selbst auf den Weg zu machen. Sich von den natürlichen Abläufen von Sonne und Mond leiten zu lassen. Die Hektik des Alltags hinter sich zu lassen. Langsam und bewusst voranschreiten. Wieder "Mensch" zu sein.

Ich will versuchen, meine Vorbereitungen und Erfahrungen bestmöglich weiterzugeben. Vielleicht erscheinen sie dem ein oder anderen nützlich. Ich las vor meinem Aufbruch zahlreiche Blogs. Darin sind ganz persönliche, großartige Inhalte verborgen. Aus Dankbarkeit dafür ist dieser Blog dann folglich auch entstanden. Ich hoffe, dem ein oder anderen dadurch Mut, Information, oder aber auch einfach nur Vergnügen beim Lesen zukommen lassen zu können. Ich bitte jetzt schon um Verständnis, dass es seine Zeit brauchen wird, bis ich alle 77 Tage (74 Etappen) von Feldkirch bis zum Kap Finisterre niedergeschrieben haben werde.

Sollte jemand Fragen haben, oder auch sonst mit mir in Kontakt treten wollen, so kann er/sie mich natürlich jederzeit gerne anschreiben...

In besonderer Art und Weise möchte ich mich bei Eva, Hans und Harald bedanken - ihr 3 habt mir eine Perspektive am Camino eröffnet, die ich bis dahin noch nicht kannte. Ich werde die Zeit mit euch nie vergessen!

Buen Camino!

Georg Wachter

2 Kommentare:

  1. Lieber Georg!
    Auf der Suche nach Infos zur Via Gebennensis bin ich auf deinen tollen Blog gestoßen und habe ihn in 2 Etappen verschlungen.
    Ich kann den Weg nicht in Einem gehen, auch die enorm langen Etappen, die du gemacht hast sind nichts mehr für mich, da ich mich erst nach meinem 60er auf den Weg gemacht habe.
    Nach dem CF Mai 2014 habe ich begonnen den Weg von daheim (in Graz) zu gehen: Weststeirischer JW, Südösterreichischer JW, Innsbruck -Lauterach; im Vorjahr vom Bodensee zum Genfersee. Im Herbst habe ich erstmals mit einem Freund den CP eingeschoben. An 2. Mai steht die Via Gebennensis und vielleicht ein Stück V. Podiensis am Programm.
    Ich habe soviele deiner Schilderungen wiedererkannt und bin auch von deiner Sprache begeistert.
    Ich habe meinen Blog (für meine Familie und einige Freunde daheim) direkt am Weg geschrieben und gepostet und zu Hause dann von den einzelnen Abschnitten Fotobücher angefertigt.
    Danke für eine der schönsten Schilderungen des Wegs!
    LG Gerhard

    Gerhard Pierer; Graz; gerhard.pierer@aon.at;
    Blog: gerhard.mlq.me

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    1. Servus Gerhard, schön, dass Du hier herein gefunden hast. Ich wollte mit dem Blog Menschen Mut machen, Ihren weg zu starten. Du brauchst das ja nicht mehr, bist ja ein erfahrener Pilger. Falls Du manche Information vielleicht nützlich findest, so freut mich das! Ein schönes Stück Camino steht Dir bevor, genieß die Zeit. Ich denke immer noch jeden Tag an meinen Weg zurück... Buen Camino! Georg

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