Montag, 3. Juni 2013

Tag 64: Reliegos - Leon

Von Reliegos nach Leon
Distanz: 25,2 KM
Unterkunft Leon: Albergue de las Carbajalas

Strahlender Sonnenschein am 1. Tag meines 33. Lebensjahres
Ich laufe um 7 Uhr alleine los. Der Morgen ist wunderschön, beinahe schon kitschig schön. In Mansilla de las Mulas gibt es in einem Café ein Frühstück - Croissant und Café con Leche. Die 3 spanischen Pilgerinnen, die ich gestern kurz in der Pilgerherberge traf sind auch da. Ich setze mich zu ihnen, sie sind sehr nett. Trotz früher Morgenstunde läuft im Hintergrund bereits der Fernseher. Es wird von Überschwemmungen in Österreich berichtet. Ich glaube zuerst, ich sehe nicht recht. Ich glaube, die Donau erkennen zu können. Ich bin so unendlich scheinend weit weg von zu Hause. An einem strahlend sonnigen Tag laufe ich auf meinem Camino und zu Hause geht die Welt unter. Die Spanierinnen können mich zumindest dahingehend beruhigen, als dass es bis dato noch keine Opfer zu beklagen gab. Ich bin Mitglied bei der Feuerwehr in meinem Heimatort - ich kann mir vorstellen, dass meine Kameraden allerhand zu tun haben werden. Ich verabschiede mich von den Spanierinnen und ziehe alleine weiter.

Auch Antoni Gaudí ist heute bei mir
Als ich mit meinem Südkoreanischen Pilgerfreund in Leon ankomme, ist Attila bereits in der Herberge einquartiert. Von allen Herbergen, die mir auf meinem Weg unterkamen, war jene hier wohl die schlimmste. Ein riesiger Schlafsaal mit mindestens 50 Pilgern. Die Geschlechter wurden von vorn herein getrennt. Ich frage mich, was Ehepaare in diesem Moment wohl gefühlt haben mögen. Alles ist eine Massenabfertigung. Immerhin ein paar Worte kann ich mit der deutschen Hospitalera wechseln. Sie redet mich auf Deutsch an, da sie im Pass liest, dass ich Österreicher bin. Sie gibt mir den Tipp, in Santiago am Abend die Führung der deutschen Jakobsfreunde rund um und in der Kathedrale mitzumachen. Als ich den Saal betrete, ist die Luft bereits eine Katastrophe. Viele Pilger liegen bereits in ihren Betten und versuchen, zur Ruhe zu kommen. Neben mir liegt heute ein Österreicher. Ich unterhalte mich gerne mit ihm, weiß aber, dass wir nicht sehr viel miteinander gemein haben. Man merkt auf dem Camino sehr schnell, mit wem man einen guten Draht aufbauen kann, und mit wem nicht. Ich versuche, jedem Pilger unvoreingenommen und freundlich gegenüber zu treten, meistens ist mir das dann auch gelungen.
 
Leon ist eine sehr teure Stadt. Der Kathedral-Besuch kostet 5 Euro, ein kleines Baguette in einer Fastfood-Kette kostet 6,5 Euro. Attila lud mich auf ein Frozen Yogurt ein, dass wir auf dem großen Platz vor der Kathedrale genossen. Wir besichtigen gemeinsam das Gotteshaus. Die Glasmalereien sind fantastisch. Dennoch gefällt mir die Kathedrale in Burgos besser.

Die prachtvolle Kathedrale in Leon
Es ist schön, heute einen halben Tag Zeit zur Besichtigung von Leon haben zu können. Attila und ich besuchen noch weitere Highlights der Stadt, die Attila in seinem ungarischen Führer ausfindig machen konnte. Wir treffen auch auf einen Deutschen, der mit seiner US-amerikanischen Freundin seit einigen Tagen in Leon festsitzt, da er körperlich größere Probleme hat. Wir trinken miteinander ein Bier. Ich gehe dann noch einkaufen, ich habe einfach keine Lust auf ein Pilgermenü. Attila will mit anderen Pilgern zu einem Hotspot-Platz Leons. Viel Zeit hat er nicht, die Pforten der Herberge schließen bereits um 22 Uhr. So setze ich mich mit meinem Abendessen in den Innenhof der Herberge. Es dauert auch nicht lang, bis sich andere Pilger zu mir setzen, alles Deutsche. Im Hintergrund telefoniert ein Deutscher Pilger lautstark mit seiner Familie in Deutschland. Es ist ein dummes, nicht aussagekräftiges, oberflächliches Gespräch. Ich ärgere mich kurz, dass ich den Nonsens dieser Sinnlosigkeit mit anhören muss. Als wir eine 4-köpfige Gruppe sind, bestellen wir im benachbarten Gastrobetrieb ein Bier. Die Ruhe wird nur gestört, als eine Geistliche alle zum Aufstehen auffordert. Ziemlich vehement verweist sie auf den gleich beginnenden Gottesdienst in der hauseigenen Kapelle. Mir ist die aufdringliche Art zuwider, ich bleibe, so wie die anderen auch, sitzen. ich lasse mich nicht zu etwas verpflichten. Ich habe am Camino zu meiner Freiheit gefunden, die ich jetzt nicht mehr missen möchte. Ich will mich an Regeln halten, niemand anderem zu Last fallen. Ich will aber auch nicht von anderen zu etwas verpflichtet werden.
 

Nach Pamplona und Burgos, ist Leon die letzte große Stadt vor Santiago de Compostela. Ich fühle mich heute Abend fiebrig und habe etwas Kopfweh. Ich weiß heute, dass ich am 12. Juni in Santiago sein will. Zum ersten Mal überhaupt hab ich ein Datum im Kopf, jener Zeitpunkt, der das Ende meiner Pilgerreise darstellen könnte.

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