Donnerstag, 13. Juni 2013

Tag 74: Ruhetag Santiago de Compostela

Santiago de Compostela
Distanz: -
Unterkunft Santiago de Compostela: Seminario Menor


In diesem prachtvollen Sarkophag sollen die
Überreste von Jakobus dem Älteren liegen
Santiago zeigt sich heute von seiner schönsten Seite. Zum ersten Mal seit 74 Tagen kann ich so richtig ausschlafen. Die Sonnenstrahlen wecken mich sanft, ich fühl mich hervorragend. Für Hans geht der Camino heute schon weiter. Er will ohne Pausentag seinen Weg bis zum Kap Finisterre fortsetzen. Harald, der ja bereits morgen zurück ins Südtirol muss, wird den Tag in Santiago bleiben, ebenso wie Eva und ich. Wir frühstücken noch zu viert. So um 10 Uhr packt Hans seinen Rucksack und verabschiedet sich sehr herzlich von uns. Wir machen aus, dass wir uns am Sonntag um 18:20 (keine Ahnung wie er gerade auf diese Uhrzeit kam) beim Leuchtturm in Finisterre treffen werden. Er will dort nämlich einen Tag Pause machen, da sein Flug nach Hause erst am Montag Nacht geht. Eva, Harald und ich beschließen, die tägliche Pilgermesse um 12 Uhr in der Kathedrale zu besuchen. Wir sind bereits um 11:00 dort – einige Pilger besetzten da bereits die besten Plätze. Während uns Eva eine Bank im rechten Seitenschiff reserviert, kann ich die Kathedrale besichtigen. Ich steige die Treppen der Krypta hinunter. Es gibt dort keine Warteschlange. Auf einer Betbank kniet ein Ehepaar, tief in ein Gebet versunken. Erst als ich sie passiere, sehe ich, dass die Bank in Richtung von dicken Eisenstäben und einem kleinen silbernen Sarkophag blickt – kein Zweifel, das muss der Platz sein, in dem die vermeintlichen Überreste des Jakobus des Älteren aufbewahrt werden. Zweifellos ist dies auch der Grund, warum Santiago de Compostela zu der Stadt (gemacht) wurde, die sie heute ist. Ich stell mir nicht die Frage, ob sich die Gebeine des Apostels tatsächlich in diesem kostbaren Gefäß befinden – es ist nicht wichtig für mich. 

Das Botafumeiro
Die Messe ist sehr feierlich, die Kathedrale bis auf den letzten Platz gefüllt. Auch das "Botafumeiro", das überdimensionale Weihrauchfass in der Kathedrale wurde heute geschwenkt. Dies soll nicht mehr jeden Tag passieren, daher bin ich froh, das noch erlebt haben zu dürfen. Ich konnte übrigens nicht hören, dass erwähnt wurde, dass ein Pilger von Österreich in Santiago angekommen ist. Früher soll es angeblich noch üblich gewesen sein, dass man die Herkunft aller Pilger verlesen hat. Es ist mir aber auch nicht wichtig. Schon beim gestrigen Abholen der Compostela wurde mir klar, dass man in Santiago nicht mit persönlicher Behandlung zu rechnen hatte. Das ist aber auch nicht wichtig. Ich bin sehr dankbar dafür, so viele tolle Menschen am Camino getroffen und kennengelernt zu haben. Vor allem jene 3, mit denen ich das Ende meines Pilgerweges verbringen durfte. Es war wunderschön, mit ihnen gemeinsam die Apostelstadt erreicht zu haben.

Ein herrlicher Platz an einem schönen (Ruhe)-tag in Santiago
Den Nachmittag verbringe ich damit, an einem Platz in der Nähe der Kathedrale Karten zu schreiben. Ich genieße 2 Tassen Café con Leche und beobachte Fußball spielende Kinder, die ganz ohne erwachsene Aufsichtspersonen auszukommen scheinen. Sie bedürfen keines Schiedsrichters. Absolut fair und diszipliniert bilden sie Mannschaften, Mädchen und Jungen gemischt, und spielen einfach drauf los. Technisch fein und schon sehr weit spielen die rund 8 bis 10-jährigen auf sehr hohem Niveau und haben einfach nur Spaß an dem was sie machen. Etwas gefährlicher wurde es für mich, als 2 Jungs ein weiteres Spiel mit dem Ball prolongierten, eine Art Stufen-Zielschießen. Ziel war es ganz offensichtlich, die oberste Stufen von Rund 20 zu treffen. Blöderweise stand mein Tisch in unmittelbarer Nachbarschaft mit der obersten Stiegenkannte, was dazu führte, dass der Ball 2, 3 Mal recht knapp an mir vorbeigeflogen kann. Mit einem schnell und heftig und wie ich finde auch sehr ernst gemeinten einsetzenden „Perdon, Perdon, Perdon“ schnaufte so gleich einer der beiden Protagonisten in meine Richtung.
Blick vom Seminario Menor
Der heutige Ruhetag war sehr wichtig für mich. Ich war sehr müde. Im Körper und vor allem auch im Kopf. Während des Kartenschreibens wurde mir bewusst, dass ich bald wieder im Alltag sein würde. Natürlich wollte ich wissen, wie es meiner Familie, meinen Freunden in den letzten knapp 3 Monaten gegangen ist. Dennoch wurde ich auch etwas melancholisch. Bald würde das Abenteuer Jakobsweg für mich vorbei sein. Es ist ein sehr fordernder Weg, dennoch bedeutete er mir nach dem vielen Kilometern, den erlebten Höhen und Tiefen alles. Ich würde ihn sehr vermissen.

Auch Möwen waren von meinem Platz aus gut auszumachen. Es ist klar, das Meer kann nicht mehr weit weg sein. Laut meinem Führer keine 100 Kilometer. Ich freute mich bereits darauf, morgen wieder auf dem Camino zu sein und meine unwiderruflich letzten drei Etappen anzugehen.

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